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Was bringt die Akademisierung?

Einst Mangelware, wird heute das Angebot der Studiengänge für Frühpädagogik zunehmend üppiger. Wird die Akademisierung des Berufs auch die Arbeitsbedingungen verbessern? Die Gewerkschaften setzen darauf, dass besser ausgebildetes Personal auch besser bezahlt wird.

Ausbildung in der Kritik

In Deutschland ist die Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern bundesweit nicht einheitlich geregelt. Die Fachkräfte selbst üben die Kritik, dass die Ausbildung nicht genügend praxisorientiert sei und dass beispielsweise Kenntnisse und Fertigkeiten hinsichtlich des Umgangs mit verhaltensauffälligen und behinderten Kindern, der (Sprach-)Förderung ausländischer Kinder oder der Gesprächsführung mit Eltern beziehungsweise deren Beratung nicht in ausreichendem Maße vermittelt würden. Diese Kritik wurde in jüngster Zeit ausgeweitet auf die mangelhafte oder sogar ganz fehlende Ausbildung im mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich und im Umgang mit Medien.

Hochschulausbildung gefordert

Noch im Jahre 2004 fand Peter Moss, Pädagogik-Professor an der Universität von London und offizieller OECD-Berichterstatteter, gerade mal zwei Fachhochschulen in Deutschland, die Studiengänge für frühkindliche Pädagogik anboten. Bedauerlicherweise finde die Ausbildung der Erzieherinnen und Erzieher außerhalb der Hochschulen statt; dies sei "unangemessen" lautete damals die Einschätzung der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit). Auch andere Untersuchungen ergaben, dass in allen entwickelten Ländern mit Ausnahme von Österreich die Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern auf einem höheren Niveau stattfindet als in Deutschland.

Ist die "Verwissenschaftlichung" die Lösung?

In den vergangenen Jahren hat sich diese Situation geändert, inzwischen bietet fast jedes Bundesland Studiengänge für Erzieherinnen und Erzieher an (siehe Zusatzinformationen in der rechten Spalte). An mehr als 50 Standorten im Bundesgebiet kann heute eine Hochschulausbildung zur frühkindlichen Pädagogik absolviert werden. Neben Aufbau-Studiengängen existieren auch komplette Angebote vom ersten Semester an. Manche der Ausbildungen lassen sich auch parallel zum Job absolvieren. Die Akademisierung des Erzieherberufs hat offensichtlich begonnen - eine gesellschaftliche Debatte darüber, was die Akademisierung bringt, allerdings noch nicht.

Bildungspläne ändern das Anforderungsprofil

Viele Eltern, die ihre kleinen Kinder in die Krippe geben, fordern mehr "Herzenswärme" von den Menschen, denen sie ihre Kinder anvertrauen - und keinen Schein über die erfolgreiche Absolvierung eines Lehrgangs. Kritiker sprechen Professorinnen und Professoren an den Hochschulen die praktische Erfahrung mit Kindern ab. Bislang strebten meist junge Mädchen (und zu wenige junge Männer) nach dem Haupt- oder Realschulabschluss auf die Erzieher-Fachschulen. Die Hochschulstudiengänge richten sich an Menschen mit einem höheren Schulabschluss. Diese Frauen und Männer sind hochwillkommen, seit dem sich die Bildungspläne in der Früherziehung geändert haben. Offizielle Stimmen aus den Kommunen oder Ministerien finden sich zwar nicht, die offen aussprechen, dass Mädchen und Jungen mit mittleren Schulabschlüssen selten in der Lage sind, den gestiegenen Anforderungen im Kita-Bereich zu genügen. Gleichwohl wird akademisch ausgebildeten Menschen die Umsetzung der Bildungspläne anscheinend eher zugetraut. Offen bleibt dabei die Frage, wie viele der akademisch ausgebildenten Frühpädagoginnen und -pädagogen der Zukunft tatsächlich im Anschluss an ihr Studium in die Kindergärten gehen werden.

Gutes Geld für gute Ausbildung?

Die zahlreichen neuen Studiengänge begrüßen vor allem die Gewerkschaften, die in der Akademisierung ein Argument für bessere Gehälter in Krippen und Kitas sehen. Wenn jedes Bundesland die Akademisierung durch den Aufbau eigener Studiengänge fördert, müssen sich die Landespolitiker auch auf höhere Lohnkosten einstellen. Denn ein Land, das akademisch gebildete Erzieherinnen und Erzieher will, kann sie schlecht mit Billiglöhnen abspeisen.

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Norbert Hocke von der GEW bringt im Interview aktuelle Entwicklungen im Erzieherberuf auf den Punkt.

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