"Die meisten Ideen hatten die Kinder selbst"
Aus der Kooperation des Kindergarten St. Michael und der Albert-Schweitzer-Grundschule im bayerischen Amberg ist das "Amberger Modell" entstanden. Es begleitet und unterstützt Vorschulkinder auf ihrem Weg zur Schule. Die einzelnen Bausteine wurden "gemeinsam mit den Kindern entwickelt", unterstreicht Kitaleiterin Brigitte Netta.
Wie kann der Übergang gelingen?
"Unsere Kita war 2003/04 eine von gut 100 Modelleinrichtungen, die den neuen Bayerischen Bildungs- und Erziehungsplan erproben sollten", erzählt Brigitte Netta, Leiterin des Kindergartens St. Michael. Zunächst sei man durchaus kritisch herangegangen an das, "was sich die Wissenschaft da mal wieder ausgedacht hatte". Doch dann hätten Erzieherinnen und Kitaleitung entschieden, die sich bietenden Chancen zu nutzen und das Thema Übergang in die Grundschule in den Blick zu nehmen. Die Kitaleitung ist an die benachbarte Albert-Schweitzer-Grundschule herangetreten und hat sich mit der Lehrerin Marion Weigl, die damals das neue Amt einer "Kooperationsbeauftragten" inne hatte, zusammengesetzt. "Wir waren uns schnell einig, dass es nicht darum gehen sollte, leistungsbezogenes Wissen über die Kinder auszutauschen, sondern zu fragen: Was kann, will, braucht das Kind in der Phase des Übergangs aus seiner eigenen Perspektive?" Zudem sollten alle Beteiligten – Eltern, Lehrkräfte, Erzieherinnen und Erzieher und Kinder – mit einbezogen werden.
Brief an die Schule
Das Modell selbst sei dann in einem demokratischen Prozess mit allen Beteiligten entstanden, berichtet die Kitaleiterin. Zu Beginn des Kitajahrs im Herbst gab es eine "Kinderkonferenz" der Vorschulkinder, in der besprochen wurde, was die Kinder im Jahr vor der Schule gerne machen wollten. "Eine Idee war, schon im Herbst die Schule kennenzulernen und einen Brief an die Grundschule zu schreiben. Dieser wurde dann von den Kindern in Form eines Plakats am zweiten Schultag der ersten Klasse übergeben", so Netta. Als Antwort sandte die erste Klasse ein Plakat mit gemalten Selbstporträts zurück. "An einem Nachmittag erkundeten die Vorschulkinder das leere Schulhaus. Dabei entstand der Wunsch, die Schulkinder kennenzulernen und einige Zeit später besuchten wir die erste Klasse." Dabei konnten die Kinder ihre Fragen stellen, beispielsweise ob es viele Hausaufgaben gibt oder man jederzeit auf die Toilette gehen darf. "Erwachsene denken an sowas oft gar nicht, aber die Kinder beschäftigt das sehr", betont Netta.
Schulkinder besuchen die Kita
"Dann passierte, womit keiner gerechnet hatte", berichtet Netta: Die Schulkinder wollten die Kita besuchen. Auch dieser Besuch hat stattgefunden, "und auf einmal waren die Kindergartenkinder diejenigen, die etwas zeigen konnten." Als besonders wichtig für die Vorschulkinder hat Brigitte Netta auch empfunden, dass die Kitakinder im Laufe des Besuchs immer unverkrampfter auf die Lehrerin zugegangen seien. Es folgte ein gemeinsamer Elternabend mit der Lehrerin, dann ein zweiter Elternabend, an dem auch Eltern von Schulkindern teilnahmen. Mit gemeinsamen Veranstaltungen in Schule und Kita, beispielsweise einer Schulhausralley, sei es dann weitergegangen. "Die meisten Dinge haben die Kinder selbst vorgeschlagen. Eigentlich haben sie uns mit ihren Impulsen, Themen und Fragen überholt", erzählt Brigitte Netta lachend. Irgendwann sei dann auch die Frage aufgetaucht, was mit den Kindern sei, die auf eine andere Schule gehen: "Aber bestimmte Abläufe sind ja in jeder Schule gleich und die Erfahrungen deshalb übertragbar", betont die Kitaleiterin.
Pflicht und Kür
Im Laufe der Jahre wurde das Projekt weiterentwickelt und fand so großen Anklang, dass es inzwischen unter dem Namen "Amberger Modell" in anderen Kitas und Schulen durchgeführt wird. Außerdem haben die beiden Initiatorinnen, Brigitte Netta und Marion Weigl, das Projekt und seine Bausteine in einer Broschüre vorgestellt, die 2006 erschienen ist: "Hand in Hand: Das Amberger Modell – ein Kooperationsprojekt für Kindertagesstätten und Grundschulen" (siehe Linkliste). Im Kindergarten St. Michael werden die einzelnen Bestandteile nach wie vor jedes Jahr gemeinsam mit den dann neuen Vorschulkindern und den Kooperationspartnern entwickelt. Aber es gäbe auch feste Elemente, so Netta: "Wir sprechen immer von Pflicht und Kür, denn bestimmte Bausteine sind uns wichtig, beispielsweise dass die Vorschulkinder die Anlauttabelle kennenlernen und das Schulhaus erkunden." Mit vielen kleinen Einheiten werden dabei insbesondere folgende Ziele erreicht: Die Vorschulkinder lernen ihre künftige Lernumgebung und die dazugehörigen Menschen (Lehrkräfte, Schulleitung, Hausmeister) kennen und Ängste werden abgebaut. Die Pädagoginnen und Pädagogen erhalten Einblick in die jeweils andere Bildungseinrichtung, dadurch wachsen Verständnis und Wertschätzung füreinander. Die Schulkinder gewinnen durch die gemeinsamen Aktionen Sozialkompetenz und Wissen.
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