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Mitmachaktionen zum Thema Ernährung in Kitas

Wie gestalte ich Bildungsprojekte zum Thema Ernährung und Gesundheit im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung? Ein Interview mit Ulrike Lieber.*

Ulrike Lieber (45) ist Kulturwissenschaftlerin mit dem Schwerpunkt Ökologie und Umweltbildung und als pädagogische Mitarbeiterin bei der S.O.F. Save Our Future-Umweltstiftung tätig. Die Hamburgerin begleitete unter anderem die KITA21-Projekte "Was essen wir heute?" und "Die Energiedetektive - Kita-Kinder der Sonne auf der Spur".

KITA21: Frau Lieber, Sie führen Mitmachaktionen zum Thema Ernährung in Kitas durch. Wie sind Sie dazu gekommen?

Ulrike Lieber: 2005 habe ich die Save Our Future-Umweltstiftung (S.O.F.) kennen gelernt und fand die Bildungsarbeit dort einfach klasse. Seit Anfang 2009 betreue ich mit viel Freude zwei Projekte der S.O.F.: Das eine dreht sich um das Thema Energie und Klimaschutz und das andere ist ein einjähriges Bildungsprojekt zum Thema Ernährung in der Kita Kinderwelt@Desy. Beide Projekte finden im Rahmen des Modellprojekts "KITA21 – Die Zukunftsgestalter" statt und orientieren sich am Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung. Im Projekt "Was essen wir heute?" gehe ich einmal in der Woche in die Kita und erforsche mit den Kindern das Themenfeld Ernährung und Gesundheit, ein Thema, dem meiner Meinung nach besonders in der heutigen "Fast Food Gesellschaft" gar nicht früh genug Beachtung geschenkt werden kann.

KITA21: Ein Bildungsprojekt zum Thema Ernährung vor dem Hintergrund einer nachhaltigen Entwicklung – wie sieht das aus?

Ulrike Lieber: Um einen einfachen und anschaulichen Einstieg in den Themenkomplex Ernährung und Gesundheit zu schaffen, begannen wir mit den Lieblingsspeisen der Kinder. Zusammen mit der projektbegleitenden Erzieherin haben die Kinder einen Jahreskreislauf zum Thema Ernährung gebastelt. Hierbei haben wir uns angeschaut, wo welche Nahrungsmittel herkommen und wann sie zu welcher Jahreszeit wachsen. Wir besuchten den Wochenmarkt, gingen in den Supermarkt und schauten, welche Lebensmittel angeboten werden. Im Sommer legten wir mit den Kindern im Garten der Kita eine Kräuterspirale und ein Hochbeet an. Die Kräuter verwendet die Kita, um ihre Speisen zu würzen. Aus dem Kürbis, der im Hochbeet wuchs, kochten die Kinder mit der Erzieherin eine Kürbissuppe.

KITA21: Was ist daran nachhaltig?

Ulrike Lieber: Die Kinder wissen mittlerweile bei der Frage "Woher kommt unser Essen?", dass die Lebensmittel nicht aus dem Supermarkt stammen, sondern aus unserer Natur. Sie erfuhren, dass sie angepflanzt und gepflegt werden müssen und teilweise einen sehr langen Transportweg hinter sich haben, bevor sie auf unseren Esstisch gelangen.

Henne mit ihren Küken; © Ilka MehlisJunge mit Hahn; © Ilka Mehlis
Henne mit ihren Küken
 
Erste Begegnung mit einem Hahn
 

Die Großküche, die unter anderem die Kita Kinderwelt@Desy mit Mittagsessen beliefert, verwendet nur Lebensmittel aus ökologisch-regionalem Anbau. Wir haben mit den Kindern ergründet, warum dies richtig und wichtig ist, wie sie durch den Kauf von Lebensmitteln unsere eine Welt mitgestalten – im negativen als auch im positiven. Als ich mit den Kindern einen Bauernhof in der näheren Umgebung der Kita besuchte, wunderten sie sich, dass es Hühner in ihrer Nachbarschaft gibt, die Eier legen. Für einige der Kinder gehörten Hühner bis dato gar nicht in ihre Lebenswelt, es war kaum ein Bezug vorhanden. Nach dem Besuch des Bauernhofs war das anders und die Kinder machten sich Gedanken zur Lebensweise und den Vorlieben von Hühnern.

Schwein wird gefüttert; © Ilka MehlisKind betrachtet Schwein - Schwein betrachtet Kind; © Ilka Mehlis
Schwein auf einem Öko-Bauernhof
 
Man kommt sich näher
 

KITA21: Was bewirken diese Bildungsprojekte bei den Kindern?

Ulrike Lieber: Projekte wie diese schaffen bei den Kindern ein Bewusstsein für nachhaltiges Denken und Handeln. Gemeinsam mit den Erwachsenen hinterfragen sie die Herkunft der Lebensmittel und ihr eigenes Konsumverhalten. Dabei erfahren die Kinder, wie sie sich verantwortungsvoll gegenüber ihrer Umwelt, in der Kita und auch zu Hause verhalten können. Sie sind sehr motiviert, auch so zu handeln und fragen kritisch nach – auch zu Hause. Damit tragen sie das Gelernte in ihre Familien und bilden ihr Umfeld gleich mit!

KITA21: Wie reagiert das Kita-Kollegium auf die Mitmachaktionen?

Ulrike Lieber: Die Kita-Leitung und die Mitarbeiterinnen der Kita Kinderwelt@Desy stehen voll und ganz hinter dem Projekt. Die Affinität zur nachhaltigen Entwicklung im Allgemeinen bestand schon, bevor die Zusammenarbeit mit der S.O.F. beschlossen wurde. Dementsprechend hat sich die komplette Kita explizit für das Projekt im Rahmen von KITA21 ausgesprochen.

KITA21: Haben Sie Empfehlungen zur Gestaltung von BNE-Projekten zum Thema Ernährung?

Ulrike Lieber: Meiner Meinung nach ist es sehr wichtig, dass Kinder in jeden Prozessschritt aktiv mit einbezogen werden. Die Erwachsenen geben selbstverständlich die Rahmenbedingungen vor, doch die Kinder sollten so viel Spielraum haben, eigene Entscheidungen in einem gemeinsamen Abwägungsprozess treffen zu können. Zum Beispiel behandelten wir in der Kita das Thema Hühner. Nachdem die Kita-Leitung grünes Licht für die Anschaffung von Hühnern gegeben hatte, hing die Entscheidung letztendlich von den Kindern ab. Die Kinder haben alle Aspekte, die mit der Anschaffung der Hühner zusammen hängen, kritisch beleuchtet. Schlussendlich haben sie sich gemeinsam für die Anschaffung von Hühnern und auch für die damit verbundene Übernahme der Verantwortung entschieden. Partizipation sollte schon im frühsten Kindesalter eine Rolle spielen, damit es für die Kinder zur Selbstverständlichkeit wird.

Eine weitere Empfehlung ist, Bildungspartner mit in die Projekte einzubeziehen. Aus meiner Sicht spielen sie eine wichtige Rolle, denn sie bringen neue Impulse in die Kita und sind sowohl für die Kinder als auch die Erwachsenen eine spannende und lehrreiche Abwechslung.

KITA21: Welche Bedeutung messen Sie Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) in Kitas zu?

Ulrike Lieber: Eine große! Leider ist BNE in vielen Kitas noch relativ unbekannt. Ich denke, dass viele Einrichtungen zu großen Respekt vor der vermeintlichen Komplexität des Themas haben. Dabei ist es gar nicht schwierig oder kompliziert, es ist viel mehr nur ein neuer Blickwinkel, aus dem die Dinge betrachtet werden. Ein Blickwinkel, der die Zukunftsfähigkeit, Empathie und Aspekte der Solidarität berücksichtigt und sich so im Umgang miteinander und in der Bildungsarbeit mit den Kindern niederschlägt.

KITA21: Vielen Dank, dass Sie sich für dieses Gespräch Zeit genommen haben.

 
 

* Das Interview wurde uns freundlicherweise von KITA21 zur Veröffentlichung auf bibernetz.de zur Verfügung gestellt. KITA21 unterstützt Bildungsprojekte im Elementarbereich.