Wuselbilder und Medienerziehung
Der Einsatz digitaler und audiovisueller Medien ist im Berliner Kindergarten "Weiße Taube 1" fester Bestandteil des pädagogischen Konzeptes. Die Erzieherin Petra Schreiber gibt Einblicke in ihre medienpädagogischen Arbeit mit den Kindern.
Medienbildung als Bestandteil des Bildungsprogramms
Daniela Sauermann: Frau Schreiber, auf der Tür im Eingang steht in großen Buchstaben: Kindergarten und Medien. Damit meinen Sie alle Medien: von klassisch bis digital. Wie kommt es, dass Sie hier im Kindergarten "Weiße Taube 1" diese Medien so umfassend einsetzen?
Petra Schreiber: Der Kindergarten hat schon seit längerer Zeit einen medienpädagogischen Schwerpunkt. Die Medienbildung ist im Berliner Bildungsprogramm verankert und daher beschlossen wir im Team, uns die Medienpädagogik auf unsere Fahne zu schreiben. Hinzu kommt, dass dieses Profil von unserem Träger, der Urban Consult gGmbH, durch die entsprechende technische Ausstattung gefördert wurde.
Sauermann: Wie sah die konkrete Umsetzung aus?
Schreiber: Wir sind eigentlich gleich zu Beginn an unsere Grenzen gestoßen – im gesamten Kollegium. Im Berliner Bildungsprogramm steht zwar geschrieben, dass die Medienpädagogik unser Auftrag ist, aber in der Umsetzung gab es immer wieder Unsicherheiten. Zunächst beschäftigte uns die Frage, welches Medium ist für welches Alter geeignet. Einige der Kolleginnen und Kollegen wollten sich erst nicht so richtig an das Thema Medienpädagogik heranwagen. Andere fanden es gerade interessant, digitale Medien mit den alten Medien zu kombinieren. Es galt also zunächst, dass wir uns ein für alle gleichermaßen abrufbares Grundwissen aneigneten. Dazu führten wir 2007 umfangreiche Teamfortbildungen bei BITS 21 durch.
Sauermann: Wie sieht heute Ihre Kindergartenpraxis aus? Wie setzen Sie und Ihre Kolleginnen die Medien konkret ein?
Schreiber: Wir führen jährlich eine Projektwoche durch. Themen sind: Märchen, Computer und Co., und andere Länder - andere Sitten. Während dieser Projektwochen setzen wir digitale Medien ein. Mit der Zeit erlangte das gesamte Team mehr und mehr Sicherheit im Umgang beziehungsweise im Einsatz der unterschiedlichen Medien. Ich führte beispielsweise das Spiel "Versteckt – Entdeckt" ein und war erstaunt, dass sich aus einem einfachen Spiel ein spannendes Projekt entwickeln kann.
Sauermann: Versteckt – Entdeckt – Was für ein Spiel ist das?
Schreiber: Das ist ein Computerspiel für Kinder. Die Mädchen und Jungen können sich in drei unterschiedliche virtuelle Welten einloggen: Unterwasserwelt, Ritterwelt und Raumfahrt. Die Mädchen haben gern in der Unterwasserwelt gespielt, da sie es sehr an "Arielle" erinnert hat. Die Jungs haben sich eher für die Ritterwelt und die Raumfahrt interessiert.
Sauermann: Wie setzen Sie das Programm im Kindergartenalltag ein?
Schreiber: Grundsätzlich sind wir erstmal davon ausgegangen, dass Kinder unter vier Jahren nichts mit dem Computer anfangen können. Wir haben dann aber entdeckt, dass es durchaus Spiele gibt, die Kinder auch schon vor dem 4. Lebensjahr benutzen können – und "Versteckt - Entdeckt" gehört dazu. Zwar wird das Computerspiel offiziell erst ab 6 Jahren empfohlen, es enthält aber kurze Passagen, in denen sich die Kinder gemeinsam Hinweise zum Spiel gehen können, im Sinne von "Ich sehe was, was du nicht siehst". Kennengelernt habe ich das Spiel "Versteckt - Entdeckt" im Rahmen eines Fachforums "Lebenslang lernen heißt lebenslang spielen" der Lernzentren Appolonius und BITS 21 hier in Berlin. Es wurde uns von den Fachleuten als Konzentrationstrainer empfohlen. Vorgestellt habe ich dieses Spiel den Kindern im Morgenkreis und dann mit ihnen gemeinsam gespielt. Dabei war ich die Spielerin und die Kinder haben mir Anweisungen gegeben, was ich im Spiel tun sollte. Nachdem sie gesehen haben, wie das Spiel funktioniert, durften die Kinder dann abwechselnd selbst spielen. Einige nahmen dies begeistert wahr, andere standen eher im Hintergrund und wollten zunächst nur beobachten, um später dann selber auszuprobieren.
Gemeinsam Regeln vereinbaren
Sauermann: Gibt es im Kindergarten Regeln für den Umgang mit Computerspielen?
Schreiber: Ja, zum Beispiel, wann wir uns an den Computer setzen. Wir haben uns darauf geeinigt, dass nach dem Mittagsschlaf ein guter Zeitpunkt ist. Je nach dem, wann die Kinder dann aufwachen, können Sie nacheinander an den Computer, um das Spiel zu spielen. Weiterhin sollen die Kinder nicht länger als 15 Minuten am PC sitzen. Die Spieldauer ist eigentlich kein Problem und reguliert sich von selbst. Wenn ein Kind zum Beispiel nicht weiß, wie es weiterspielen soll, verliert es relativ schnell die Lust und macht Platz für das nächste Kind. Durch Beobachtung des nächsten Kindes lernen die Kinder voneinander und wissen beim nächsten Mal, wie sie im Spiel weiterkommen. Über ihre Erfolge und möglichen Spielstrategien unterhalten sie sich im Anschluss im offenen Kindergartenbereich. Dadurch werden Gemeinsamkeiten geschaffen und die Erfolgserlebnisse im Spiel stärken wiederum das Selbstbewusstsein der Kinder.
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Kinder gemeinsam vor dem Computer |
Sauermann: Welche Medien nutzen die Kinder darüber hinaus im Kindergarten?
Schreiber: Wir haben 2006 eine hauseigene Kinderbibliothek eingerichtet, in der jedes Kind an einem Tag der Woche selbstständig ein Buch ausleihen kann. Jede Elementar-Gruppe hat einen Computer, einen Drucker, eine Digitalkamera und ein Diktiergerät. Dem gesamten Team steht für die Arbeit mit den Kindern eine Videokamera, ein Computer mit Internetanschluss, ein Farbdrucker und zwei Mikrophone zur Verfügung. Ich kann die Medien für alle Bereiche nutzen, zum Beispiel für Wuselbilder ...
Sauermann: Wuselbilder?
Schreiber: Ja, jedes Kind hat von zu Hause seine "Schätze" mitgebracht, alle zusammen auf ein großes Blatt buntes Tonpapier drapiert und selbst mit der Digitalkamera fotografiert. Das Bild habe ich in den Computer geladen und jedes Kind durfte sich sein Wuselbild am Computer ausdrucken und laminieren. Die Wuselbilder waren lange Bestandteil des täglichen Spiels und regten immer wieder die Gespräche der Kinder untereinander an.
Sauermann: Kann man mit medienpädagogischen Projekten auch Kinder ansprechen, die sich anderen Angeboten verweigern?
Schreiber: Ja, in unserem Kindergarten sind beispielsweise viele Jungs, die nicht gerne malen. Zu Fasching habe ich daher Portraits von den Kindern gemacht und diese in den Computer geladen. Die Kinder durften danach ihr Gesicht so anmalen, wie sie gern zu Fasching geschminkt wäre. Dafür haben wir das einfache Prgramm Paint benutzt. Dabei stand nicht der künstlerische Aspekt im Vordergrund, sondern der Spaß an der Sache - und den hatten die Kinder. Vor allem die technisch interessierten Kinder konnte ich damit motivieren. Die angemalten Portraits habe ich ausgedruckt und wer wollte, konnte noch seinen Körper dran malen. Das war eine schöne Verbindung von Malen am Computer und Malen in der "Wirklichkeit".
Eltern als Partner in der Medienerziehung
Sauermann: Wie beurteilen die Eltern den medienpädagogischen Schwerpunkt des Kindergartens?
Schreiber: Unterschiedlich. Es gibt immer Eltern, die der Medienpädagogik mit großem Vorbehalt begegnen. Diese Eltern assoziieren mit dem Begriff Medienpädagogik in erster Linie den Einsatz des Computers im Kindergarten. Sie sind verunsichert und fragen sich, welche Gefahren damit verbunden sind. Unser Medienbegriff ist allerdings weiter gefasst: Zu Medien zählt das klassische Bilderbuch ebenso, wie die Digitalkamera und das Videogerät. Die Medien miteinander zu verbinden, sie kreativ zu nutzen und somit die Medienwelt für Kinder verständlicher zu machen ist unsere Aufgabe. Den Eltern ist manchmal gar nicht bewusst, dass Gespräche über das Fernsehen und die Verarbeitung von Fernseherlebnissen Medienerziehung bedeutet und dass wir mit ihnen als Partner die Kinder in der heutigen Medienwelt begleiten wollen.
Sauermann: Haben Sie bereits einen medienpädagogischen Elternabend ausgerichtet?
Schreiber: Ja. Dazu habe ich mir Fachleute eingeladen, die mich bei der Vorbereitung und Durchführung des Elternabends unterstützt haben. Meine Erfahrung ist, je mehr ich im medienpädagogischen Bereich aktiv bin, desto mehr Zustimmung erhalte ich auch von Seiten der Eltern.
Das Interview führte Frau Daniela Sauermann im Auftrag von BIBER - Bildung-Beratung-Erziehung.
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