KiTas kleinkindgerecht bauen und ausstatten
"Ein Kind hat drei Lehrer: Der erste Lehrer sind die anderen Kinder. Der zweite Lehrer ist der Lehrer. Der dritte Lehrer ist der Raum." So heißt es in einem schwedischen Sprichwort eines unbekannten Autors.
Der Raum als dritter Lehrer
Der Produzent und Autor Kurt Gerwig – Inhaber von AV 1 Film + Multimedia und Autor weiterer pädagogischer Filme - hat unter fachlicher Begleitung von Kornelia Schneider vom Deutschen Jugendinstitut (DJI) in München einen Film vorgelegt. Anhand von vier ausgewählten Kitas aus Hamburg und dem Berliner Raum bietet er praxisnahe Informationen über die Möglichkeiten für die bauliche und innenräumliche Umgestaltung und gibt Empfehlungen für den Kita-Neubau.
Räumliche Konzepte sind Bestandteil heutiger Pädagogik
Mit dem Wandel der Bedeutung unserer Definition von Kindheit und den entsprechenden pädagogischen Konzepten veränderten sich in der Baugeschichte des 20. Jahrhunderts auch die dazugehörigen Raumkonzepte und somit die architektonische Bauaufgabe Kindertagesstätte. Als pädagogische Konzepte, bei denen der räumlichen Umgebung eine besonders hohe Bedeutung für die Erziehung des Kindes beigemessen wird, sind insbesondere die Reggio-, Montessori- und Waldorfpädagogik zu nennen. Eine anregende Raumgestaltung und -aufteilung soll dem Kind selbstständiges und schöpferisches Lernen ermöglichen – heute eine fast selbstverständliche Forderung, die durch den zukünftigen Rechtsanspruch einer Kindertagesbetreuung für Kinder unter drei Jahren ab 2013 immer aktueller und brennender wird.
Bauliche und räumliche Voraussetzungen in Kitas
Welche baulichen und räumlichen Voraussetzungen müssen nun Krippen und Kitas heute haben, um Kindern einen anregenden und phantasievollen Lebensraum zu bieten? Diese Frage steht im Mittelpunkt des Films. Er richtet sich an Planende, Träger, Betreibende und das pädagogische Personal von Krippen, die sich dem Thema der Umgestaltung oder des Neubaus von Krippen, dem Lebensraum der Kinder unter drei Jahren, widmen.
Aufbau und Inhalt des Films
Vier Kitas – vier Beispiele
Im Film werden vier Kitas vorgestellt – zwei aus Hamburg, zwei aus dem Berliner Raum -, die sich zum einen durch Hausrundgänge mit der Kitaleitung selbst präsentieren. Zum anderen werden die Kitas im Hauptfilm in thematischen Kapiteln zusammengefasst. Sortiert wird dabei nach folgendene Themenfeldern:
| Wunsch(t)räume, |
| Architektur- und Raumkonzepte, |
| Materialien und Sinne, |
| Beobachtung und Raumerfahrung, |
| Raum für Eltern, |
| Außengelände. |
Filmschnipsel und Interview
Ergänzt wird das Filmmaterial durch eine "Einführung" sowie "interessante Filmschnipsel". Begleitet wird die dokumentarische Darstellung im Hauptfilm durch fundierte und informatives Interview mit der versierten Sozialpädagogin Kornelia Schneider, die sich als Wissenschaftliche Referentin des Deutschen Jugendinstituts (DJI) seit den 70er Jahren der Erforschung der ersten drei Lebensjahre zugewandt hat.
Große Unterschiede zwischen den Rahmenbedingungen
Die 4 Kitas betreuen zwischen 70 und 290 Kinder und befinden sich im städtischen Einzugsbereich. Architektonisch bieten sie sehr unterschiedliche Voraussetzungen: Es gibt einen mehrgeschossigen Plattenbau von 1989 (Potsdam), einen 1- 2- geschossigen Bau von 1961 (HH), eine Villa von 1899 (HH), sowie einen Neubau von 1998 (Woltersdorf). Auch organisatorisch gibt es Unterschiede, zum Beispiel sind in drei Kitas Kita und Krippe zusammengefasst, davon ist eine Kita noch ergänzt durch ein Eltern- Kind-Zentrum (HH Hermannstal). Die vierte Kita ist eine reine Krippe.
Film gibt viele Anregungen
Leider geht der Film auf diese unterschiedlichen Randbedingungen nicht genügend analytisch ein – im Hauptfilm werden die baulichen Raumzuordnungen und ihre Möglichkeiten und Probleme nicht genügend deutlich. Im Vordergrund steht die Inneneinrichtung, die sich im Zusammenschnitt der Filmkapitel schließlich wieder als vergleichbar darstellt. Viele einzelne Ideen und Methoden sind liebenswert und anregend, gehen aber weniger auf den architektonischen Raum als vielmehr auf den Innenausbau ein, beispielsweise auf Holzspielgeräte, schräge Ebenen, Wasserspielbecken oder sogar auf die direkten Spielutensilien, wie Glasbehälter mit Materialien, Tücher zum Spielen. Hier entwickelt der Film einen Vorbildcharakter, der insbesondere im Bereich von praktischen Selbstbaumaßnahmen kreativ umgesetzt und individuell weiterentwickelt werden kann. Bemerkt werden muss aber auch, dass die Innenraumgestaltung, zum Beispiel die Boden- und Wandoberflächen und die Raummöbilierung nicht immer dem Anspruch an Materialerfahrung und sinnlichem Erleben gerecht werden.
Einiges bleibt unerwähnt
Für die baulich-architektonischen Anforderungen von Neubauten lassen sich daraus wenig Leitbilder und schon gar keine Vorbilder ableiten - bis auf das eher nebenbei erwähnte Raumkonzept der Kita in Woltersdorf. Interessant wäre hier gewesen, welche Vorteile und Nachteile eine kreisförmige Anordnung der Räume bringt, wie die Nutzenden - Kinder, Eltern sowie Erzieher und Erzieherinnen (nicht nur die Kitaleitung) – darüber denken und wie Träger und Architekt zu diesem räumlichen Konzept gekommen sind. Vielleicht auch, warum es nicht noch mehr Raumkonzepte dieser Art gibt, da es doch offensichtlich gut angenommen wird. Hier wären andere Kitabeispiele, die es in großer Zahl gibt, als Ergänzung notwendig und sinnvoll gewesen. Aktuelle Themen wie energetische Sanierung, Finanzierung oder Nutzerbeteiligungsprozesse beim Bauen werden gar nicht angesprochen. Insgesamt wäre es, um ein umfassendes Gesamtbild zum Thema entsprechend der angestrebten Zielgruppen – Planende, Träger, Betreibende und pädagogisches Fachpersonal - zu erreichen, angemessen gewesen, auch genau diese Personen exemplarisch zu Wort kommen zu lassen.
Kurzinformationen
Titel | KiTas kleinkindgerecht bauen und ausstatten |
Autor/Autorin | Kurt Gerwig |
Verlag | AV1 Pädagogik-Filme |
Format | DVD, 70 Minuten |
Preis | 25,- € + Mwst. |
Fazit
Der Film bietet viele innenräumliche Anregungen, die im pädagogischen Kita- Alltag direkt umgesetzt werden können. Die fachlichen Erläuterungen von Kornelia Schneider sind vernetzt mit den Beispielen und gleichermaßen fachlich wie in der Umsetzung nachvollziehbar. Form und Struktur der DVD sind durch ihren modularen Aufbau sehr gut als Begleitmaterial für Fortbildungen und Fachdiskussionen geeignet. Der selbstgestellten inhaltlichen Zielsetzung wird der Film jedoch streckenweise nicht gerecht. Die Auswahl der Kitas als Vorbildfunktion ist nicht immer nachvollziehbar. Die Übertragbarkeit auf kleinere Einrichtungen im nichtstädtischen Bereich dürfte hier und da schwierig sein. Die angestrebten Zielgruppen werden sich sicher nicht gleichermaßen angesprochen fühlen.
Über die Autorin
| Martina Nadansky ist Dipl.- Ing. Architektin bei Berlin und arbeitete von 2000-2007 als Dozentin an der Hochschule Wismar im Fachbereich Architektur. Sie hat im Rahmen ihres Dissertationsthemas "Architekturvermittlung an Kinder und Jugendliche" viele Architekturprojekte an pädagogischen Einrichtungen wie Schulen, Kitas, Kinder- und Jugendbibliotheken sowie Kinderunis durchgeführt. |