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Lasst unsere Kinder spielen!

Wie werden Kinder richtig gefördert? Worin liegt der Schlüssel zum Erfolg? André Frank Zimpel, Professor für Erziehungswissenschaften, verknüpft in seinem neuen Buch "Lasst unsere Kinder spielen! Der Schlüssel zum Erfolg" bekannte Lerntheorien mit aktuellen Erkenntnissen aus der Neurobiologie.

Es ist eine Frage, die Eltern und pädagogische Fachkräften in Zeiten eines Überangebots an Fördermöglichkeiten gleichermaßen beschäftigt: Wie werden die Kinder richtig gefördert? Sind die zahlreichen Förderprogramme wichtig oder stellt die allnachmittägliche Beschäftigung der Kinder mit Sprachenunterricht, musikalischer Früherziehung und derartigen Bildungsangeboten eher eine Überforderung, beziehungsweise eine Überförderung dar? Worin liegt der Schlüssel zum Erfolg? Diesen Fragen geht André Frank Zimpel, Professor für Erziehungswissenschaften an der Universität Hamburg, nach und fordert, dem Spiel einen höheren Stellenwert zukommen zu lassen.

Das Spiel – Zeitverschwendung oder Baustein kindlicher Entwicklung?

Spielen ist wichtig für die kindliche Entwicklung

Fehlt die Zeit zum Spielen, fällt ein wesentlicher Bestandteil kindlicher Entwicklung weg. Ausgehend von dieser Grundthese legt André Frank Zimpel mit seinem neuen Buch eine Art Weiterführung seiner humanpädagogischen Gedanken aus seinem letzten Buch "Zwischen Neurobiologie und Bildung" vor. Zimpel geht davon aus, dass alles Lernen ein steter Dialog ist. Diese These überträgt er im aktuellen Titel auf das Moment des Spielens. Dafür legt er zunächst pädagogische Theorien dar, die er im Folgenden zueinander in Bezug setzt. In drei Haupt-Kapiteln entwickelt Zimpel gut nachvollziehbar seine These. Dieser Entwicklung wird im Folgenden anhand der Kapiteleinteilung, wie im Buch, nachgespürt.

"Spiel befreit das Denken von der Wahrnehmung"

Zunächst "entdeckt" Zimpel den Wert des Spiels für die Bildung des Menschen, insbesondere der Kinder, wieder. Hierbei beruft er sich auf die frühen Ansätze von Fröbel und kommt anschließend auf Skinners Theorie des Lernens zu sprechen. Skinner setzte auf einen größtmöglichen Lernerfolg durch kleine Lerneinheiten und die Konditionierung auf regelmäßige Rückmeldung. Nach diesem Exkurs in die Theorie des, wenn man so will, programmierten Lernens, befasst Zimpel sich mit der Pädagogik Montessoris, welche die Selbstständigkeit als eigentliches Ziel des Lernens ansah und resümiert, womit er erneut auf Fröbel zurückgreift, dass dem Spielen eine durch nichts zu übertreffende Motivationskraft innewohnt. Handlungen im Spiel finden, selbst wenn es sich um Nachahmungen von Tätigkeiten der Erwachsenen wie "Fegen" oder "Zur-Arbeit-Gehen" handelt, zum reinen Selbstzweck, nämlich dem des Ausführens der Handlung statt. Mit der Vorstellung der berühmten "Lewinschen Experimente" vollzieht Zimpel dann den Schritt von Montessoris Begriff vom "Spiel als Arbeit" zu der Erkenntnis, dass im und durch das Spiel die Möglichkeit besteht, Handlungen zu beeinflussen. Zimpels Fazit dieses ersten Kapitels: Das Spiel trägt nachweislich zur Förderung der geistigen Flexibilität von Kindern bei, da es in allen aufgezeigten Eigenschaften letztlich immer die Herausbildung der Fantasie fördert.

"Spiel zeigt die nächste Entwicklungsstufe"

Wie aber entwickeln Kinder ihre Spiele? Dieser Frage geht Zimpel im zweiten Teil seiner Ausführungen nach und führt dabei erneut Montessori, aber u.a. auch Piaget und Wygotski ins Feld. Über das Piaget'sche Stufenmodell kognitiver Entwicklung kommt Zimpel wiederum auf das Spiel und die damit verknüpfte Leistung des Denkens und der Herausbildung eines sozialen aus einem zunächst ausschließlich individuellen Bewusstseins. Spiel wird definiert als ein sozialer Akt, ein Akt kulturellen Lernens, aus dem der Entwicklungsstand des Kindes abgelesen werden kann.

"Spiel und das Optimum der Aufmerksamkeit"

Nachdem sich die ersten beiden Kapitel überwiegend aus der erziehungswissenschaftlichen Perspektive mit dem Thema beschäftigen, wendet sich Zimpel nun unter Einbezug entwicklungspsycholgischer Aspekte dem Gebiet der Neurobiologie zu. Anhand aktueller Forschungen untermauert er die Thesen der vorangegangenen Kapitel und stellt die Bedeutung des Spiels für die Entwicklung kognitiver, motorischer und verbaler Fähigkeiten einmal mehr in den Vordergrund seiner Ausführungen. Die Neurobiologie bestätigt, was die Erziehungswissenschaft durch jahrzehntelange Beobachtung vermuten konnte: Das Spiel ist der Motor, der aus sich selbst und aus dem spielenden Kind heraus motiviert die Entwicklung befördert. Am Spiel lassen sich Entwicklungsstufen ablesen. Es motiviert zum Austesten und befördert so die Motivation zum Lernen.

In der Praxis

Auf den ersten Blick wartet Zimpels Buch mit einer großen Menge an Theorie auf. Davon darf und sollte man sich nicht abschrecken lassen. Denn alles, was Zimpel theoretisch vermittelt, resümiert er in einem kurzen Fazit am Ende eines jeden Abschnitts. Diesen Zusammenfassungen lässt er eine Reflexions- und Beobachtungsaufgabe folgen, in welcher die Theorie unmittelbar in die Praxis übertragen wird. Die Reflexion bezieht sich zumeist auf die jeweilige Leserin oder den jeweiligen Leser, die Beobachtungsaufgabe geht nach außen, auf die Kinder der Kita-Gruppe, das eigene Kind oder andere Kinder aus dem Umfeld. So schafft Zimpel den Sprung von der Theorie in die Praxis und veranschaulicht in Anwendungsbeispielen, worum es ihm geht: Das Spiel muss wieder mehr Raum bekommen, die Fantasie der Kinder gefördert und ihre Selbstständigkeit im Spiel unterstützt werden.

Kurzinformationen

TitelLasst unsere Kinder spielen! Der Schlüssel zum Erfolg
AutorAndré Frank Zimpel, Vorwort von Gerald Hüther
VerlagVandenhoeck & Ruprecht
Erscheinungsjahr2011; 1. Auflage
Umfang134 Seiten
Preis16,95 €
ISBN978-3-525-70129-4

Fazit

Freies Spiel und Förderung der Fantasie

"Lasst unsere Kinder spielen!" ist ein gelungenes Plädoyer für das Spiel als eines der wichtigsten Medien (nicht ausschließlich) frühkindlichen Lernens und der Aneignung sozialen Verhaltens. Hier geht es nicht um durch pädagogische Fachkräfte angeleitetes Spiel mit eingegrenzter Zielsetzung, sondern um das freie Spiel des Kindes. Zimpel zielt auf die Förderung der Fantasie ab und unterstreicht das Spiel als einen Prozess, der sich auch für die Förderung der Interaktion zwischen Eltern und Kind eignet.

Erkenntnisgewinn durch spielen

Die Kombination aus entwicklungstheoretischer Grundlage und neuen neurobiologischen Erkenntnissen macht dieses Plädoyer so plausibel und bietet zahlreiche Denkanstöße, deren Zentrum die Zeit zum Spielen sowie die Interaktion und der daraus entstehende Dialog der Eltern oder pädagogischen Fachkraft mit Kindern ist. Denn das Spiel eines Kindes verrät uns viel mehr über seine Bedürfnisse und der gezielte Einsatz dieser Erkenntnisse im Spiel wiederum bringt dem Kind oft mehr als eine Sieben-Tage-Woche mit Förderangeboten.

Über die Autorin

Uticha Marmon
arbeitet als freiberufliche Dramaturgin und Lektorin mit Schwerpunkt Kindermedien. Nach einiger Zeit am Theater war sie mehrere Jahre als festangestellte Lektorin, Autorin und Regisseurin im Verlagswesen tätig und entwickelt seitdem Hörspiele und Hörbücher für Kinder. Im Rahmen ihrer theaterpädagogischen Arbeit bietet Uticha Marmon auch Coachings für Erzieherinnen und Erzieher sowie Hörspielnachmittage in Kindertageseinrichtungen an und verfasst theaterpädagogisches Begleitmaterial zu Bilderbüchern.