Schritt 3: reflektieren und steuern
Dieser Prozess schließt die Reflexion und Steuerung des Lernprozesses ein. Arbeitsmittel sind dabei unter anderem die Lernzielvereinbarungen und die Dokumentation der Lernprozesse, beispielsweise mithilfe eines Weblogs.
Sich auf persönliche Weise vorstellen
Als Erwachsene mögen wir daran gewöhnt sein, uns dritten Personen gegenüber vorzustellen oder etwas zu erzählen. Wir sind darin mehr oder weniger geübt. Für Kinder im Vorschulalter wird eine persönliche und individuelle Vorstellung jedoch meist noch als etwas Befremdendes empfunden. Dies steht in Zusammenhang mit der kognitiven Reife und der sprachlichen Ausdrucksfähigkeit der Kindergartenkinder. Das Nachdenken über sich selbst ist den Kindern oft noch nicht vertraut, und so wissen manche nicht recht, was sie über sich sagen sollen. Die Auseinandersetzung mit der eigenen Identität, mit den Vorlieben und Interessen unterstützt die Kinder in ihrer Persönlichkeitsentwicklung [vergleiche Antje Bostelmann (2007), Seite 56; siehe Zusatzinformationen im rechten Kasten]. Die Portfolioarbeit ist zur Förderung und Stärkung dieser selbstreflexiven Kompetenzen besonders gut geeignet.
Die Stimme als Teil der Persönlichkeit(sentwicklung)
Individuelle Audioaufnahmen ...
In vielen Portfolios fehlt der Einsatz der Stimme. Hier zeigt sich ein großer Vorteil von E-Portfolios: Die digitale Gestaltung macht die Integration von individuellen Audioaufnahmen möglich. Indem die Stimme der Mädchen und Jungen in das Portfolio immer wieder eingebunden werden kann, entsteht ein detailliertes Bild der Gesamtpersönlichkeit des Kindes [vergleiche Helen Barrett (2006); siehe Zusatzinformationen im rechten Kasten].
... nicht von jedem Kind erwünscht.
Die meisten Kinder des Kindergartens Maurach bevorzugen, einfach "drauf los" zu erzählen, während die Kindergartenpädagogin mitschreibt. Versuche, die Erzählungen der Kinder durch Audioaufnahmen möglichst authentisch zu gestalten (was natürlich auch mit einer Arbeitserleichterung des Personals einher geht), führte nicht bei jedem Kind zum Erfolg. Besonders die Jüngeren empfanden Audioaufnahmen als befremdend und wollten nicht ins Mikrofon sprechen. Darum können sich die Kinder nun immer entscheiden, wie die Beschreibungen ihrer Portfolioseite ausfallen sollen - mit persönlicher Aufnahme oder mit Notizen der Kindergartenpädagogin.
Lisa und Lukas stellen sich vor
Veränderungen erkennen und darlegen
Stärkung des Selbstwertgefühls
Durch die regelmäßige Arbeit an den Portfolios werden nach und nach Lernprozesse und Entwicklungsschritte der Kinder sichtbar. Gelerntes und Erarbeitetes wird normalerweise zwar angewandt, aber der Weg dorthin, also die Stationen des Entwicklungsprozesses verliert leicht an Bedeutung oder gerät in Vergessenheit. Portfolios ermöglichen in ihrer Darstellungsweise die konsequente Nachvollziehbarkeit der individuellen Lernfortschritte. Sie verdeutlichen den Kindern einerseits, wie sich Fähigkeiten und Fertigkeiten im Laufe der Zeit verändern, und andererseits, wie sich Interessen und Vorlieben immer wieder wandeln oder festigen. Diese anschauliche Darstellungsweise trägt positiv zur Ausbildung des Selbstwertgefühles bei [vergleiche Helen Barrett (2006); siehe Zusatzinformationen im rechten Kasten].
Entwicklungsfortschritte nachvollziehen und dokumentieren
Im Kindergarten Maurach malen die Kinder sehr gerne Mandalas zu verschiedenen Themen aus. Am Beispiel zweier Malarbeiten von Katrin lassen sich Entwicklungsfortschritte im kreativen und feinmotorischen Bereich aufzeigen. War die Strichführung des Malstiftes im Kindergartenjahr 2006 noch eher grob und die farbliche Gestaltung ohne spezielles Konzept, so zeigt die Malarbeit vom September 2007 deutliche Veränderungen in der Qualität: Das Mandala wurde als Schmetterling erkannt und mit viel Kreativität und einer ansprechenden Farbauswahl gestaltet. Auch die Technik des Ausmalens hat Katrin im Verlauf eines einzigen Jahres stark verbessert. Um diese Fortschritte kontinuierlich weiterzuverfolgen, ist das Gegenüberstellen und Vergleichen ähnlicher Arbeitsproben aus unterschiedlichen Altersstufen eines Kindes empfehlenswert.
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Zwei Mandala-Malarbeiten von Katrin (2006 und 2007): Die Lernfortschritte sind klar erkennbar |
Jedes Portfolio ist ein Unikat
Das Reflektieren und Steuern eines Lernprozesses stellt für Kindergartenkinder eine große Herausforderung dar, die nur mit der Unterstützung und Hilfestellung der pädagogischen Fachkräfte und der Eltern gemeistert werden kann. Davon abgesehen liegt die große Freude der Kinder an ihren persönlichen Portfolios besonders in dem individuellen und unverwechselbaren Charakter dieser Sammlungen begründet. Das individuelle Portfolio ist Ausdruck der einzigartigen Persönlichkeit eines jeden Kindes. Allein die fantasievolle und kreative Gestaltung der Portfolioseiten trägt dazu bei, dass jedes Portfolio ein Unikat und damit unverwechselbar ist. Das Kind kann sich mit seinem Portfolio als Individuum in der Gruppe erkennen und definieren; es wird immer wieder aufgefordert, über seine Person nachzudenken, Selbstbeschreibungen vorzunehmen und sich zu fragen: "Wer bin ich?" oder "Was macht mich aus?".
Das sind meine Stärken
Die Portfolioarbeit motiviert
Indem die Kindergartenkinder aufgefordert werden, über sich nachzudenken, lernen sie nach und nach ihre persönlichen Stärken und Fähigkeiten besser kennen und können sich dadurch auch leichter von anderen Kindern abgrenzen. Sie erkennen, dass jeder Mensch etwas besonders gut kann. Die Kinder sind stolz, Beispiele ihres Könnens auch zu präsentieren und anschließend im Portfolio zu archivieren. Gleichzeitig erkennen sie auch, dass es noch "viel zu tun gibt" und sind motiviert, an sich selbst weiterzuarbeiten.
Kinder erkennen und dokumentieren ihre Stärken
Kinder bilden ihre Kompetenzen aus
Die vergleichenden Portfolioseiten zeigen deutlich, dass die Kinder sich sehr wohl Gedanken über sich selbst und ihre besonderen Stärken machen. Diese Kompetenzen ändern sich jedoch immer wieder im Laufe eines Kindergartenjahres, weshalb die Seiten aktualisiert und ergänzt werden sollten. Besonders eindrucksvoll gestalten sich "tatsächliche" Beweise: Wenn ein Kind meint, es kann zum Beispiel gut "Purzelbaum schlagen", dann wird dazu auch das passende Foto geknipst und in das Portfolio des Kindes eingefügt. Im Kindergarten Maurach konnten wir die Erfahrung machen, dass durch die Portfolioarbeit die positive Einstellung zum Lernen generell gefördert wird. Die Kinder sind motiviert, viele Fähigkeiten zu erlernen, weil sie sich verbessern wollen und nicht weil es ihnen gesagt wird. Dass diese motivierte Einstellung gegenüber dem Lernen sich auch positiv auf den zukünftigen Schulbesuch des Kindes auswirkt, liegt auf der Hand.
Besondere Erlebnisse einfließen lassen
Die Portfolioarbeit ermöglicht ebenso die Einbeziehung von besonderen Erlebnissen oder Ereignissen des Kindergartenalltags oder im Jahreskreis. Was für die Kinder etwas "Besonderes" ist, entscheiden ausschließlich sie selbst. Die folgenden Beispiele zeigen deutlich, welche Artefakte oder welche Tätigkeiten für die Kinder von Bedeutung waren (siehe Bild). Manche Kinder erzählen besonders gerne über ihre Erlebnisse, andere brauchen etwas Unterstützung von Seiten der Fachkraft, um ihre Erlebnisse in ihrem Portfolio artikulieren zu können. Die Gestaltung dieser Portfolioseiten sollte jedoch immer auf Freiwilligkeit beruhen und den Kindern nicht aufgedrängt werden.
Am Computer selbst entworfene und gemalte Bilder
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| Schritt 5: Bewerten und evaluieren Ein Bewertungsraster soll sich an den Leitlinien und Zielen des Kindergartens orientieren und unterstützt die Kinder, ihre Lernleistungen besser zu reflektieren und einzuschätzen. |
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| Portfolioarbeit Teil 3 als PDF Über diesen Link erhalten Sie den gesamten Artikel "Portfolioarbeit im Kindergarten - Teil 3: Praxisbeispiele" im PDF-Format als Download. Dateigröße: 49 KB |
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