"Wohnt Gott in der Kita?"
Erzieherinnen und Erzieher sind gefordert Antworten zu finden – auf die kleinen und großen Fragen des Lebens – und sie kommen nicht umhin, die religiösen Themen der Kinder aufzugreifen.
Doch gibt es in einer pluralen Gesellschaft keine einheitlichen kulturellen und religiösen Traditionen und damit auch keine einheitlichen Antworten. Zudem gehören die Mädchen und Jungen der meisten Kindertagesstätten unterschiedlichen Glaubensrichtungen an. Der Sammelband "Wohnt Gott in der Kita?" zeigt, wie es dennoch gelingen kann, Kinder spirituell zu begleiten. Der Fokus des Buchs liegt dementsprechend nicht nur auf christlichen Traditionen, Werten und Überlieferungen; es werden aber auch Möglichkeiten der interreligösen frühkindlichen Erziehung in den Blick genommen.
Kleine und große Fragen
Die fünfjährige Jana fragt ihre Mutter, ob es Gott in echt gibt. Als die Mutter antwortet: "Warum denn nicht?" sagt Jana: "Na ja, Gott fliegt doch immer im Himmel rum. Und das geht doch nicht, dass er nie landet". Dieses Beispiel aus dem Buch "Wohnt Gott in der Kita?" macht deutlich, dass sich auch schon Kindergartenkinder mit religiösen Themen beschäftigen. Dabei geht es nicht nur um die Frage nach der Existenz Gottes, sondern ebenso um die vielen kleinen Fragen, die sich aus dem Alltäglichen ergeben: "Was kann ich schon? Bin ich groß oder klein? ... Wieso bist du so alt? Wo war ich als du klein warst?" (S.76).
Fachtagung "Kindliche Entwicklung und Religion" als Ausgangspunkt
Eine Fachtagung der AGENDA – Forum katholischer Theologinnen e.V. war für die zahlreichen Autorinnen des Buches der Ausgangspunkt, um sich mit kindlicher Entwicklung und Religion zu beschäftigen. Dabei kristallisierte sich, unter dem Aspekt der multireligiösen Situation in den Kindertageseinrichtungen, der Begriff religionssensible Erziehung heraus, der die "Aufmerksamkeit für Religionen in all ihren Erscheinungsformen" (S. 11) beinhaltet.
Religionssensible Erziehung
So geht es im ersten Teil des Buches, nach einem Vorwort der ehemaligen Familienministerin Ursula von der Leyen, um die grundsätzliche Bedeutung religionssensibler Erziehung für die Frühpädagogik. Dr. Katrin Bederna, Juniorprofessorin für Religionspädagogik und mit Dr. Hildegard König Herausgeberin des Buches, zeigt auf, welche Aspekte dabei wesentlich sind. Zudem thematisiert sie am Beispiel von Baden-Württemberg und Berlin den Stellenwert der Religion als eigenständigen Erziehungsbereich im Rahmen der Bildungs- und Erziehungspläne für Kindertageseinrichtungen.
Theoretische Grundlagen
Das zweite Kapitel des Buches beschäftigt sich aus unterschiedlichen fachlichen Perspektiven mit theoretischen Grundlagen. Dabei werden theologische, entwicklungspsychologische, religionspädagogische wie auch bildungspolitische Ansätze berücksichtigt. Prof. Dr. Elisabeth Naurath erklärt zum Beispiel auf der Grundlage entwicklungspsychologischer Erkenntnisse die kindliche religiöse Entwicklung. Weiterhin geht es in diesem inhaltlich sehr komplexen Teil des Buches, um die Möglichkeiten des Theologisierens mit Kindern, um interreligiöses Lernen und um die Bedeutung von Mystagogie in der Kita ("Mystagogie ist die theoretische und praktische Hinführung zur Gotteserfahrung durch erfahrene Menschen." S. 83) Der letzte Abschnitt des theoretischen Teils setzt sich kritisch mit der gesellschaftspolitischen Debatte um frühkindliche Bildung und Erziehung auseinander.
Praxis
Anregungen für die pädagogische Arbeit
Der dritte Teil des Buches mit den Kapiteln drei bis sechs ist praxisorientiert. Hierzu gehört unter anderem die Vorstellung eines Vorschulprojekts mit biblischen Texten. Die Autorinnen geben nach einem theoretischen Einstieg eine ausführliche Beschreibung der Projektdurchführung. Ebenso detailliert sind die Erläuterungen der Methoden zum Erzählen von Geschichten. Die Angabe eines Zeitrahmens sowie eine Materialliste sind hilfreich für alle, die Anregungen für die pädagogische Arbeit mit Kindern suchen. Unterstützung für die Praxis bietet auch der Beitrag zum Thema "Kinder und Tod". Hier wird deutlich, wie Rituale in schwierigen Situationen helfen können.
Rahmenbedingungen für die religionssensible Erziehung
Zu guter Letzt heißt es "Was brauchen Erzieherinnen?". Anhand von 11 Thesen wird darauf hin gewiesen, dass religionssensible Erziehung nur dann gelingen kann, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Dazu gehören nicht nur Erzieherinnen und Erzieher, die bereit sind, sich mit religiösen Themen zu beschäftigen, sondern auch Arbeitsbedingungen, die dies ermöglichen. Religionssensible Erziehung benötigt eine konstante Beziehung zwischen Kindern und Bezugspersonen und hierfür sind gesicherte Beschäftigungsverhältnisse sowie eine positive Arbeitsatmosphäre unabdingbar.
Kurzinformationen
Titel | Wohnt Gott in der KITA? |
Herausgeberinnen | Katrin Bederna und Hildegard König |
Verlag | Cornelsen Scriptor |
Erscheinungsjahr | 2009 |
ISBN | ISBN 978-3-589-24670-0 |
Preis | 19,95 Euro |
Fazit
"Wohnt Gott in der Kita?" ist ein wichtiges Buch, das nicht nur für pädagogisch Tätige mit religiösem Hintergrund interessant ist. Die Auseinandersetzung mit den wesentlichen "Warum-Fragen" und die Beachtung christlicher Werte wie Nächstenliebe, Respekt und Mitgefühl sind auch schon für Kinder unter sechs Jahren ein Thema. Tiefgründig und fachlich fundiert ist es den katholischen Theologinnen gelungen, die Bedeutung religionssensibler Erziehung in einer religiös pluralen Gesellschaft darzustellen.
Information zur Autorin
| Doris Schalles-Öttl ist Diplom-Pädagogin und Medienpädagogin. Sie arbeitet als Dozentin für Medienpädagogik an der Katholischen Fachakademie für Sozialpädagogik, München, und ist freiberuflich tätig, unter anderem für Aktion Jugendschutz, Landesarbeitsstelle Bayern e.V. |