Was können Kitas tun?
Es gibt zahlreiche Wege, Kinder mit Migrationshintergrund in der Kita sprachlich zu unterstützen. Alle setzen voraus, dass diese Kinder mit ihren besonderen Fähigkeiten und sprachlichen Ressourcen willkommen geheißen und wertgeschätzt werden.
Sprachbad und Kleingruppenarbeit
"Sprachförderung beginnt für uns, wenn die Kinder morgens gebracht werden und endet, wenn sie abends abgeholt werden. Sie tauchen sozusagen in ein 'Sprachbad' ein", berichtet die Diplom-Sozialpädagogin Sonja Jahn im BIBER-Blickpunkt "Sprachförderung – am besten immer und überall". "Durch ständiges Wiederholen bestimmter Wörter, durch feste Rituale, durch Reime wie beispielsweise Tischsprüche, bekommen die Kinder mehr und mehr Sicherheit und verstehen, um was es geht." In der "Kinderwelt Augsburg", in der fast ausschließlich Kinder mit Migrationshintergrund betreut werden, ziehe sich Sprachförderung wie ein roter Faden durch den Alltag. An vielen Kitas wird diese alltägliche Spracharbeit mit Kleingruppenarbeit für Kinder mit speziellem Sprachförderbedarf kombiniert. Am Katholischen Kindergarten St. Albert in Ludwigshafen beispielsweise vermitteln Sprachförderkräfte den Kindern drei Wochen lang den Wortschatz zu einem Thema, indem sie mit ihnen speziell ausgewählte Lieder singen und Spiele spielen. Die Themen aus den Kleingruppen werden auch in die Gruppenarbeit hineingetragen. Manuela Weiß ist überzeugt von diesem Konzept: "Gerade die Kleinen sind in der großen Gruppe oft etwas zurückhaltender. In der Kleingruppe sind sie ganz anders. Sie öffnen sich und nehmen die neuen Worte sehr schnell auf." Für Kinder mit Migrationshintergrund kann eine solche Kleingruppenarbeit großartige Chancen bieten, wenn sie nicht als eine Form der Ausgrenzung, sondern als Anerkennung der besonderen mehrsprachigen Potenziale wahrgenommen und vermittelt wird.
Erzieher und Erzieherinnen mit Migrationshintergrund
In einer Publikation der Friedrich Ebert Stiftung zu den Bedingungen des Sprachlernens von Menschen mit Migrationshintergrund (siehe rechte Spalte Zusatzinformationen) werden Erzieherinnen und Erzieher mit Migrationshintergrund zitiert, deren Mehrsprachigkeit und kulturelles Hintergrundwissen oftmals nicht als Zusatzqualifikation genutzt werden: "Im Kindergarten musste ich unterzeichnen, dass ich mit den Kindern nur in genehmigten Ausnahmefällen russisch spreche. Anderenfalls droht mir eine Abmahnung. Ich spreche normalerweise Deutsch mit den Kindern, nur wenn die neuen russisch-sprachigen Kinder weinen, habe ich sie auf Russisch getröstet". Für die Referentin und Koordinatorin des Modellprojektes "Vielfalt gestalten – Integration im Kindergarten" ist das Verbot einer Sprache im Kindergarten "die deutlichste Ablehnung der kulturellen Vielfalt": "Es kann der Identitätsentwicklung der Kinder schaden, wenn sie merken, dass ihre Familiensprache eine "verbotene", abgelehnte Sprache ist. Sie rät stattdessen, die mehrsprachigen Fähigkeiten von Erzieherinnen und Erziehern als Brücke zum Elternhaus zu nutzen.
Einbeziehung von Eltern und "Patenkindern"
Aber auch für Kitas, denen keine Erzieher und Erzieherinnen mit Migrationshintergrund zur Verfügung stehen, bietet die Elternarbeit viele Möglichkeiten, Kinder mit Migrationshintergrund sprachlich zu unterstützen: Eltern können beispielsweise in die Kleingruppenarbeit oder in Vorleseprojekte einbezogen werden. Dabei oder in speziellen mehrsprachigen Informationsveranstaltungen können sie durch die Erzieherinnen und Erzieher angeleitet werden, ihre Kinder in ihrer Sprachentwicklung zu begleiten. Wie geht man damit um, wenn Eltern und pädagogische Fachkräfte keine gemeinsame Sprache sprechen? "Wir kommunizieren mit ihnen mit Händen und Füßen oder lassen uns von anderen Eltern mit der gleichen Muttersprache helfen, die übersetzen können", berichtet die Sprachförderkraft Manuela Weiß. Wenn möglich, können auch Dolmetscher und mehrsprachiges Informationsmaterial hinzugezogen werden. Denkbar wäre außerdem, dass Kinder mit der gleichen Familiensprachen sich als Paten für Kinder zur Verfügung stellen, die neu in die Kita kommen.
Schulungen für Erzieherinnen und Erzieher
Um die Erzieherinnen und Erzieher für die sprachliche Bildungsarbeit fit zu machen, sind in den vergangenen Jahren zahlreiche Schulungen entwickelt worden, die teilweise wie die DaZ-Fortbildungen des Goethe-Instituts (siehe rechte Spalte Zusatzinformationen) als Blended Learning-Angebote durchgeführt werden. Auch Manuela Weiß hat sich im Rahmen des Projekts "Sprache macht stark" zur Sprachförderkraft ausbilden lassen. Neben dem theoretischen Hintergrund zu Spracherwerb bei einsprachigen und mehrsprachigen Kindern stehen in solchen Schulungen meist methodische Anregungen im Vordergrund, die direkt in die Kita übertragen werden können. "Wir haben gelernt, wie man den Wortschatz zu einem Thema entwickelt und dazu passende Aktivitäten auswählt. Das können wir in den Sprachfördereinheiten jetzt auch konkret umsetzen", berichtet Weiß. Außerdem kann es in solchen Schulungen beispielsweise darum gehen, wie man Eltern mit Migrationshintergrund optimal in die Kita-Arbeit einbezieht, was bei der Auswahl und dem Einsatz von mehrsprachigen Reimen, Liedern und Kinderbüchern beachtet werden muss und wie man mit spezifischen Schwierigkeiten von mehrsprachigen Kindern wie Code Switching, Sprachmischungen oder dem Verweigern einer Sprache umgehen kann.
Fähigkeiten und Ressourcen anerkennen und wertschätzen
Das wichtigste Ziel von Sprachbildung und –förderung in der Kita sollte es sein, jedes Kind mit seinen Fähigkeiten und Ressourcen anzuerkennen und Wertzuschätzen. Aydan Özoguz, Mitglied des Bundestages, formuliert das folgendermaßen: "Die wenigen Kinder, die das große Glück haben mit Erzieherinnen und Erziehern oder Lehrerinnen und Lehrern zu arbeiten, die so manche scheinbaren Fehler als direkte Übersetzungsleistung erkennen können, sind mit Sicherheit im Vorteil. Aus einem ganz einfach Grund: Sie werden eher gelobt und anschließend darauf hingewiesen, wie es beispielsweise im Deutschen oder in der Muttersprache anders formuliert werden müsste. In anderen, unzählbaren Fällen passiert das genaue Gegenteil. Die ständige Ermahnung "du machst das falsch" ist nicht immer angemessen und auch nicht gerade der große Motivationsschub." Ihr Ziel lautet deshalb: "Sprache und Sprachkompetenz immer als Bereicherung zu sehen und weniger als ein Druckmittel, um Menschen auszugrenzen, zu diskriminieren und vor allem nicht, um ihnen 'durch die Blume' zu sagen, dass sie eigentlich nicht dazugehören."
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