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Tonangeberei - Songs für jedes Alter ab 3

Pädagogisch völlig wertlos, dafür aber musikalisch äußerst vielseitig: Diese Musik-CD präsentiert Kinderlieder der etwas anderen Art.

Es muss nicht immer Musik á la Rolf Zuckowski sein!

Kindermusik und der pädagogische Zeigefinger
Mit Kinderlieder-CDs ist es oft ein Kreuz: Nicht selten regiert in den Texten der erhobene Zeigefinger, statt Spaß wird "pädagogisch Wertvolles" vermittelt und auch musikalisch zeichnen sich viele Veröffentlichungen in diesem Bereich durch Fantasielosigkeit und Eindimensionalität aus.

"Tonangeberei" ist anders
Bernadette La Hengst, eine von Deutschlands interessantesten Popkünstlerinnen und selbst Mutter, hat diesen Notstand erkannt und eine CD mit Kinderliedern der etwas anderen Art zusammen gestellt. Die stilistische Bandbreite der einzelnen Beiträge reicht von Drum 'n Bass über Country, Punk und Indie-Pop bis hin zu Jazz. Ähnlich abwechslungsreich sind auch die Texte: Statt braven Reimen gibt es auf "Tonangeberei" schön schräge Geschichten über dicke Bäckerfrauen,  Betonschmetterlinge, nervige Bienen oder hip-hoppende Väter. Bewusst pädagogisch wertlos präsentiert sich also diese Zusammenstellung - vielmehr wird das Anarchische, Verrückte und Unsinnige gefeiert. Ist das "kindisch"? Aber ja doch!

Schön schräg: Musik und Texte

Dass man Kindermusik schreiben kann, ohne die Kids mit monotonen Songs zu unterfordern, beweisen die  schönsten Stücke dieser CD, die musikalisch ausgefuchst und trotzdem sehr eingängig daher kommen: Helge Schneiders launiger Jazz mit Botschaft ("Katze Geil") ist gewohnt gaga, und die Lassie Singers machen mit ihrem herrlichen Schrammelpop noch einmal klar, wie viel Spaß man eigentlich im Regen haben kann. Knarf Rellöm dagegen ist nicht zu beneiden - er wird von einer immer größer werdenden Schar renitenter Bienen belästigt, die partout nicht aus seinem Zimmer verschwinden wollen. Bei DJ Koze und Stefan Kozalla wird es schließlich philosophisch, wenn in einen chilligen Drum 'n Bass-Track Kinderfragen und -antworten zum Thema Zeit gemischt werden. Katze dagegen sprechen mit ihrer punkigen Krawallnummer "Wir machen Lärm!" sicherlich jedem kleinen Rabauken aus dem Herzen, bevor Jochen Distelmeyer von Blumfeld "Gut ist!" ruft und im wundervollen "Abendlied" einen ganzen Zoo in den Schlaf singt.

Zwei Kinder hören MusikTanzendes Mädchen mit ipod
Wir hören Musik ...
 
... und tanzen dazu.
 

Einsatz in Kita und Grundschule

Bestens zum mitsingen und tanzen geeignet

Die CD kann in Kita und Grundschule vielfältig eingesetzt werden, da die große Bandbreite der musikalischen Stile der Kreativität keine Grenzen setzt: Squaredance mit Rocko Schamoni? Sich von DJ Koze zu einem Gespräch über die Zeit inspirieren lassen? Zwangloses Herumhüpfen mit Katze? Alles kein Problem! "Tonangeberei" ist somit eine gute Alternative zu herkömmlichen Kinderlieder-Sammlungen und bestens zum mitsingen, tanzen und Spaß haben geeignet.

Bei einigen Titeln ist Vorsicht geboten

Einige Beiträge werden allerdings bei nicht wenigen pädagogischen Fachkräften und Eltern mindestens ein skeptisches Stirnrunzeln hervorrufen: Wenn beispielsweise die Five Devils ganz unverblümt "Schule ist Scheiße!" oder "Schule schwänzen ist cool!" skandieren, mag nicht jeder das als ironisches Späßchen hinnehmen. Und auch "Neunmalkluger Naseweis", Heinz Strunks schonungslose "Streberbeschimpfung", muss man nicht lustig finden. Weiterhin sind einige Texte entweder auf Englisch verfasst oder aber ziemlich kompliziert, so dass die im Titel behauptete Altersangabe ab drei Jahren fragwürdig erscheint. Angesichts dessen ist es notwendig, die CD erst einmal selbst durchzuhören und danach zu entscheiden, welche Songs jeweils für die Kinder geeignet sind.

Kurzinformationen

TitelTonangeberei. Songs für jedes Alter ab 3
HerausgeberinBernadette La Hengst
InterpretenRocko Schamoni, Heinz Strunk, Helge Schneider, Blumfeld, DJ Koze, Lassie Singers und viele andere
VerlagTrikont

Fazit

"Tonangeberei" ist alles andere als kindermusikalischer Einheitsbrei: Wild werden unterschiedliche Stile zusammengewürfelt, es gibt auch nach mehrmaligem Hören immer wieder neue Details zu entdecken und die Texte changieren zwischen höherem Unsinn, origineller Bildsprache und kindgerechter Poesie. Kinder werden dabei in den Liedern nicht von oben herab behandelt, sondern in ihrer Kindlichkeit ernst genommen. Was bedeutet: Es darf gerne mal "kindisch" werden. Alles in allem ist Bernadette La Hengst ein Album gelungen, welches dem Mainstream einen provozierend-infantilen Blumenstrauß an absonderlichen Melodien und Texten entgegen setzt. Ein zweiter Teil ist schon in Planung. Die Kinder (und nicht wenige Erwachsene) werden es ihr danken.

Informationen zum Autor

Michael Thiel
ist Student der Medienwissenschaft an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und unterstützt das BIBER-Team.