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"Inklusion muss sich im gesamten Curriculum widerspiegeln"

Seit einigen Jahren gibt es in Deutschland (früh)pädagogische Studiengänge mit dem Schwerpunkt Inklusion. Aber es sind noch zu wenige, wie Timm Albers im Interview betont. Er ist Juniorprofessor für Frühkindliche Bildung an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe, Inklusion ist einer seiner Schwerpunkte.

BIBER: Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen sieht vor, dass alle Kinder reguläre Bildungseinrichtungen besuchen. Wird das Angebot an inklusiv ausgerichteten pädagogischen Ausbildungsgängen diesen Erfordernissen gerecht?

Timm Albers: Ganz eindeutig: Nein! Die Einrichtungsträger sind auf der Suche nach pädagogischen Fachkräften mit entsprechenden Kenntnissen. Eigentlich müsste jeder pädagogische Studiengang inklusiv ausgerichtet sein. Der Begriff ist zwar in der Praxis absolut angekommen, doch in vielen Studiengängen wird das Thema nur kurz aufgegriffen. Eine inklusive Haltung entwickelt man aber nicht nach nur einem Seminar. Von den 70 frühpädagogischen Studiengängen in Deutschland thematisieren bereits viele Inklusion, aber nur zehn sehen Inklusion als Querschnittsthema des Lehrinhalts.

BIBER: Gibt es den Schwerpunkt Inklusion an allen Institutionen, die frühpädagogische Ausbildungen anbieten, also an Unis, Fachhoch- und Fachschulen?

Albers: Bisher gibt es das vor allem an den Universitäten und Fachhochschulen. Die frühpädagogischen Angebote an den Hochschulen sind noch sehr jung und haben deshalb neue, moderne Curricula. Allerdings übernehmen immer mehr Fachschulen die modulare Struktur der Hochschulausbildungen und dabei auch neue Lehrinhalte wie beispielsweise Inklusion.

BIBER: Unterscheiden sich die inklusiven Studiengänge stark?

Albers: Nein. Die frühpädagogische Hochschul- und Forschungslandschaft ist in Deutschland ziemlich klein, so dass man sich sehr aneinander orientiert. Das Deutsche Jugendinstitut hat mehrere Expertisen zur Inklusion herausgegeben, deren Inhalte sich in vielen Studiengängen wiederfinden.

BIBER: Worauf sollte man achten, wenn man eine frühpädagogische Ausbildung mit dem Schwerpunkt Inklusion machen möchte?

Albers: Aus fachlicher Perspektive ist entscheidend, dass sich der Gedanke der Inklusion im gesamten Curriculum eines Studiums widerspiegelt und nicht nur ein, zwei Seminare dazu vorgesehen sind. Alle frühpädagogischen Studiengänge und ihre Inhalte findet man über das Portal www.weiterbildungsinitiative.de (siehe Link rechte Spalte).

BIBER: Gibt es auch Fort- und Weiterbildungen oder Aufbaustudiengänge mit dem Schwerpunkt Inklusion? Ist das empfehlenswert?

Albers: Auf jeden Fall ist das sehr sinnvoll – sowohl für Erzieherinnen und Erzieher als auch für Lehrerinnen und Lehrer. Sich der Heterogenität zu stellen ist die wichtigste Aufgabe, die auf die Bildungspolitik zukommt, das zeigen alle Bildungsvergleiche. Gleichzeitig, das ist meine Erfahrung, ist der Informationsbedarf bei den Pädagoginnen und Pädagogen groß – und die Sorge, dass Inklusion unter den gegebenen Rahmenbedingungen nicht umsetzbar ist. Es gibt inzwischen auch sehr viele Weiterbildungen zur Inklusion. Leider ist das Angebot ziemlich unübersichtlich und bisher fehlt ein übergeordnetes Qualitätsmanagement oder eine Art "Siegel".

BIBER: Worauf sollte man achten?

Albers: Ich würde zu Weiterbildungen raten, die nicht nur ein Wochenende umfassen, sondern auf längere Zeit angelegt sind und so die Möglichkeit bieten, die eigene Praxis zu reflektieren. Hinsichtlich des Inhalts ist wichtig, dass nicht nur die verschiedenen "Störungsbilder" – wie Formen von Behinderung und Verhaltensauffälligkeiten – vermittelt werden. Denn das verstärkt eher die Skepsis, mit "Vielfalt" nicht umgehen zu können. Es muss vor allem auch darum gehen, wie Einrichtungen aber auch Einstellungen verändert werden können. Barrierefreiheit reicht nämlich nicht aus. Ein gutes Angebot ist sicher das berufsbegleitende Fernstudium "Frühkindliche inklusive Bildung" der Hochschule Fulda, das gerade den Wettbewerb "Cum Laude" gewonnen hat.

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