StartInformieren
  
 
 
 
 

Eintauchen ins "Sprachbad"

Interview mit Sonja Jahn, Diplom-Sozialpädagogin vom Frohsinn Bildungszentrum Augsburg e.V., in dessen Trägerschaft sich die "Kinderwelt Augsburg" befindet. Dort werden 50 Kinder betreut, die fast alle einen Migrationshintergrund haben. Sprachförderung gehört zu den Schwerpunktthemen der Einrichtung.

BIBER: Frau Jahn, in Ihrer Einrichtung sind Kinder aus verschiedenen Ländern. Sind alle auf dem gleichen Sprachstand?

Sonja Jahn: Wir haben Kinder aus mehr als zehn Nationen und die sind nicht alle auf dem gleichen Stand - weder was ihre Muttersprache betrifft noch was das Deutsche angeht. Wir freuen uns, wenn dreijährige Kinder zu uns kommen, dann haben wir drei Jahre, in denen wir ihnen Deutsch beibringen können. Oft kommen aber Vorschulkinder, die kein oder kaum Deutsch können.

BIBER: Nicht gerade eine komfortable Situation ...

Sonja Jahn: Das ist richtig. Für die Kinder ist dann oft schon der Kindergarten eine andere Welt – und dann läuft dort alles auch noch in einer fremden Sprache ab.

BIBER: Was hat sich bei Ihnen im Arbeitsalltag bewährt in diesen Situationen?

Sonja Jahn: Zum einen haben wir im Team unterschiedliche Muttersprachen. Die Leitung spricht Russisch, zwei Kinderpflegerinnen Türkisch. Und wir bemühen uns, uns rudimentäre Kenntnisse einer anderen Sprache anzueignen, um dem Kind den Einstieg zu erleichtern. Aber das klappt nicht immer, zum Beispiel wenn ein Kind aus Togo einen Dialekt spricht, kommen wir auch mit Französisch nicht weiter. Dann setzen wir auf unsere Hände und Füße, auf Mimik und Gestik. Was gut klappt, ist die Hilfe eines "Patenkindes" – wenn wir also schon ein Kind in der Einrichtung haben, dass die Heimatsprache spricht.

BIBER: Was sind dann die nächsten Schritte, wenn Sie sich anfangs nur mimisch mit den Kindern verständigen können?

Sonja Jahn: Sprachförderung beginnt für uns, wenn die Kinder morgens gebracht werden und endet, wenn sie abends abgeholt werden. Sie tauchen sozusagen in ein "Sprachbad" ein. Durch ständiges Wiederholen bestimmter Wörter, durch feste Rituale, durch Reime wie beispielsweise Tischsprüche, bekommen die Kinder mehr und mehr Sicherhheit und verstehen, um was es geht. Sprache zieht sich wie ein roter Faden durch den Alltag.

BIBER: Können Sie ein Beispiel dafür geben?

Sonja Jahn: Sagen wir, wir haben das Thema Körper. Darüber kann man im Morgenkreis sprechen. Dann geht es weiter mit Bewegungserziehung. Das ist auch Sprachförderung, wenn man beispielsweise Stopp-Tänze macht, wo die Kinder mit ihrem Rücken, mit dem Bauch oder dem Arm den Boden berühren müssen, wenn die Musik stoppt. Musik gehört auch zum Thema Sprachförderung: Es gibt Lieder über den Körper, es gibt Reime, das macht den Kindern meist großen Spaß. Oder sie malen den Körper. Und für die Vorschulkinder gibt es Arbeitsblätter zu diesem Thema.

BIBER: Wie sieht es mit dem Elterninteresse aus? Sind Sie und Ihre Kolleginnen als kompetente Ansprechpartnerinnen gefragt?

Sonja Jahn: Das Elterninteresse ist hoch, das kann ich sagen. Und ich kann auch sagen, dass die meisten Eltern Rat von uns annehmen, wenn wir glauben, ihn geben zu müssen. Wir nehmen auch teil am Projekt "Stadtteilmütter" vom Kinderschutzbund. Der Schwerpunkt dieses Projekts liegt in der Förderung der Muttersprache. Die meisten unserer Kinder lernen Deutsch als Zweit- oder sogar als Drittsprache. Für ein erfolgreiches Erlernen der deutschen Sprache ist aber die Erstsprache von großer Bedeutung. Nur wenn ein Kind in seiner Muttersprache über ausgebildete Sprachstrukturen verfügt, kann es auch eine zusätzliche Sprache erfolgreich lernen. Die Mütter wirken hierbei als Expertinnen für das Erlernen der Erstsprache und werden durch Anleitung und mit Hilfe von Arbeitsmaterialien auf die Förderung der Muttersprache vorbereitet. Sie treffen sich einmal in der Woche und lernen dabei den Wert von Literatur, Bilderbüchern, Liedern, den Wert des Spielens und Malens sowie der Verbindung von Sprache und Handeln für die Entwicklung ihres Kindes in der alltäglichen Beschäftigung kennen. Mit der kontinuierlichen Vermittlung des Programms über neun Monate wächst auch ihre muttersprachliche Kompetenz - ein Zuwachs, der sich unmittelbar auf die Sprachentwicklung der Kinder auswirkt.

Weiterlesen

>

Kinder eignen sich Sprache mit allen Sinnen an

Zurück

>

Sprachförderung: Am besten immer und überall
zur Einstiegsseite des Blickpunkts