"Wie eine neue Brille"
Im Hamburger Montessori-Kinderhaus Bergedorf e.V. setzt das Team auch auf die Bildung zur nachhaltigen Entwicklung. Inspiriert von ganz konkreten Fragen, die beispielsweise beim Einkauf im Supermarkt auftauchen können, wird BNE im Kindergartenalltag gelebt.
Im Alltag tauchen viele Fragen auf
Renate Böhrnsen (52), Erzieherin aus Hamburg, stellt sich im Alltag viele Fragen, die Sie sich vielleicht auch schon so oder so ähnlich gestellt haben: "Warum werden in der Nordsee Krabben gefangen, dann nach Marokko geflogen, um sie dort pulen zu lassen, nur um sie dann wieder nach Deutschland zu den Endverbraucherinnen und -verbrauchern zu fliegen?" Oder warum müssen wir Erdbeeren aus Israel verzehren? Warum bekommen die Hamburgerinnen und Hamburger in ihren Supermärkten Milch und Joghurt aus Bayern, wo es doch auch in Norddeutschland landwirtschaftliche Betriebe gibt? "Soll das der Sinn der Globalisierung sein?", fragt sich die Mutter von zwei Kindern.
Dinge hinterfragen und eigene Wege gehen
Diese Überlegungen aus Renate Böhrnsens ganz konkretem Alltag fließen auch in ihre Arbeit im Montessori-Kinderhaus Bergedorf e. V. ein. Das Kinderhaus setzt die Ideen der Reformpädagogin Maria Montessori um, die grundsätzlich Kinder ermuntern wollte, ihren eigenen Weg zu gehen und Dinge zu hinterfragen. "Und der Gedanke aus Montessoris Friedenspolitik, der die Menschen dazu auffordert, nicht mit Eingriffen in die Natur das natürliche Gleichgewicht ins Wanken zu bringen, spielt eine wichtige Rolle", erläutert Renate Böhrnsen. "Schon Maria Montessori hat gesagt: Der Stärkere darf seine Macht nicht dazu missbrauchen, Schwächere auszunutzen." Für die Erzieherin und Co-Leiterin der Einrichtung ist es also nur folgerichtig gewesen, dass sich das Montessori-Kinderhaus Bergedorf mit nachhaltiger Bildung und Erziehung beschäftigt.
Neue Impulse
Wobei die 52-jährige erfahrene Erzieherin das Stichwort BNE nicht als bahnbrechende Neuerung versteht: "Wir haben immer schon auf Nachhaltigkeit gesetzt. Unsere Kinder dürfen sich ausprobieren, sie werden dazu ermuntert, verschiedene Perspektiven einzunehmen. Wir haben schon immer unterschiedliche Möglichkeiten aufgezeigt, Dinge anzugehen", erklärt sie. Gleichwohl bot das Stichwort BNE für sie und ihre Kolleginnen noch einmal die Gelegenheit, den Alltag im Kinderhaus zu überdenken und für neue Impulse zu sorgen. "Ich würde sagen, insofern ist BNE nichts Neues – aber es ist wie eine neue Brille, durch die man schauen kann."
Alltagsbeispiel zum Energie sparen
Und so hat das Montessori-Team von Renate Böhrnsen nachjustiert, wie das Beispiel "Frühstück im Kinderhaus" zeigt: "Wir überlegen nun auch mit den Kindern, wie es früher war, als Oma und Opa gefrühstückt haben. Manche Kinder staunen, wenn man ihnen zeigt, dass man Eiweiß auch nur mit einer Gabel schlagen kann. Sie kennen oft nur Mixer und Quirlstäbe", so die Erzieherin. Wenn man das Ei mit der Gabel schlägt, kann man auf die elektronischen Helfer verzichten und hat so ein gutes Beispiel für das Einsparen von Energie im Alltag.
Nachhaltiger Konsum kann schon früh ein Thema sein
Oft verlässt das Team vom Montessori-Kinderhaus die Kita-Räume und geht mit den Jungen und Mädchen nach draußen, um konkret vor Ort zu zeigen, was in der Theorie besprochen wurde: "Die Kinder sind begeistert, wenn wir ihnen etwas zeigen und in die Hand geben können. Wir haben unsere Beete aktiviert und besuchen einen Bauernhof. Dort haben wir gesehen, wie das Korn stand. Dann haben wir eine Getreidemühle besorgt, mit der wir Korn selbst mahlen und dann Brot backen." Diese und ähnliche Aktivitäten zum Thema nachhaltiger Konsum machen deutlich, dass es einen Unterschied gibt zwischen umwelt- und sozialverträglich hergestellten Produkten und Massenware. Die Aktionen werden auch von der Elternschaft positiv aufgenommen und begleitet.
Noch einen großen Schatz heben
Im Rahmen der nachhaltigen Bildung und Erziehung möchte Renate Böhrnsen noch einen ganz großen Schatz heben: "Die Erinnerungen der Großeltern der Kinder. Sie haben so wertvolle Informationen, sie haben so viel zu erzählen. Viele Dinge, die sie in ihrer Jugend erlebt haben, können sich unsere Kinder kaum noch vorstellen. Wenn ihr Wissen verloren geht, geht auch eine Kultur verloren."
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| KITA21 - Die Zukunftsgestalter Das Montessori-Kinderhaus Bergedorf e.V. nimmt außerdem am Modellprojekt "KITA21 - Die Zukunftsgestalter" für Hamburger Kindertagesstätten teil. Das Projekt unterstützt lebendige Bildungsprojekte, die den Aspekt der Nachhaltigkeit berücksichtigen. |
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