Schule des Staunens – Lernen und Forschen mit Kindern
Wie lässt sich entdeckendes Lernen in Kita und Schule erfolgreich umsetzen? Und wie kann man Aspekte wie die Orientierung an der kindlichen Erfahrungswelt oder die Entwicklungsstufen der Kinder sinnvoll integrieren?
Experimentieren und Deuten – wesentliche Schritte im Erkenntnisprozess
Orientierung am Alltag der Kinder ist notwendig
Die Rolle des Experimentierens im Erkenntnisprozess und die häufige Diskrepanz zwischen wissenschaftlicher und sinnlich anschaulicher Deutung von (Natur-)Erfahrungen sind zwei bedeutende Punkte im Prozess des entdeckenden Lernens, auf die Ansari in zwei weiteren Kapiteln gesondert und ausführlich eingeht. Heute gibt es zu fast allen Themen verschiedenste Experimentierangebote, der Markt wird seit einiger Zeit überschwemmt mit Experimentieranleitungen für Kinder: Bereits Kindergartenkinder sollen zum Beispiel die Eigenschaften von Luft untersuchen oder sogar den pH-Wert von Flüssigkeiten bestimmen. Ansari weist hier zu Recht darauf hin, dass solche Experimentieranleitungen primär nicht am Denken der Kinder und ihren Erkenntnismöglichkeiten orientiert sind, sondern an wissenschaftlichen Verfahren, Vorstellungen und Erkenntnissen, die aus Erwachsenensicht als bedeutsam für die Kinder erachtet werden. Diese Art von experimentellem "Abdecken" von naturwissenschaftlichen Sachverhalten passt nicht zu den Ideen eines forschenden Entdeckens von Zusammenhängen und bringt die Kinder überwiegend nur dazu, etwas zu lernen, das sie gar nicht verstanden haben und daher auch nicht mit realen Geschehnissen ihres Alltags in Verbindung bringen. Dies verdeutlicht Ansari an mehreren verbreiteten Beispielen: etwa an dem Experiment , wo eine halb im Wasser stehende brennende Kerze dadurch ausgeht, dass ein Glaszylinder über die Kerze gestülpt und ins Wasser getaucht wird. Das Überraschende aber ist, dass im Glaszylinder dabei Wasser hochsteigt. Dies wird dann durch den Sauerstoffverlust bei der Verbrennung erklärt. Ansari verzichtet nicht auf Experimente, im Gegenteil! Aber er möchte, dass Experimente aus der Perspektive der Kinder entwickelt werden, dass Kinder Gelegenheit bekommen, Vermutungen und Theorien aufzustellen, um ihre Beobachtungen zu deuten, und dass sie selbst Experimente überlegen (dürfen), die ihre Ideen bestätigen oder widerlegen können.
Selbstständiges Korrigieren
Fehldeutungen von Naturphänomenen sind menschlich und oft durch die unmittelbare sinnliche Erfahrung bedingt. Problematisch wird es, wenn die Missverständnisse bestehen bleiben, weil die Kinder in der Schule nicht die Möglichkeit bekommen haben, ihre Vorstellungen zu artikulieren und mit anderen zu besprechen, sie zu überprüfen und gegebenenfalls selbstständig zu korrigieren. Ansari erläutert diese (Um-)Deutungsproblematik an den sieben Beispielen
| Gestalt der Erde |
| schwimmende Möwe |
| Hebelgesetze |
| Springen von Bällen |
| Trägheitsgesetz |
| Oberflächenspannung des Wassers |
und zeigt, mit welchen Fragestellungen, Experimenten und Überlegungen der Unterricht jeweils ablaufen könnte, um Fehlvorstellungen bewusst zu machen und ihre Korrektur zu ermöglichen.
Praxisbeispiele für Kindergarten sowie Grund- und Hauptschule
Entwicklungsstufen der Kinder finden Berücksichtigung
Vier Kapitel des Buches von Ansari dokumentieren einmal mehr, einmal weniger ausführlich, wie entdeckendes Lernen in den verschiedenen Entwicklungsstufen der Kinder angeleitet und umgesetzt werden kann. Viele Beispiele folgen dabei unverfälscht und eindrücklich den Grundideen von Ansari. Ein besonders beeindruckendes Beispiel dokumentiert, was Grundschüler alles über das System Erde – Sonne, insbesondere über die Jahreszeiten lernen, wenn sie verteilt über fast ein Jahr immer wieder die Länge ihrer eigenen Schatten im Sonnenlicht messen und dann verstehen wollen, wie es zu den unterschiedlichen Messergebnissen kommt. Viele weitere, zeitlich weniger ausgedehnte Beispiele im Sinne des entdeckenden Lernens sind im Buch zu finden:
| Forscherstunden zum Löwenzahn (Kindergarten) |
| Sind Pilze auch Pflanzen? (Kindergarten) |
| Was lässt Schimmelpilz wachsen? (Kindergarten) |
| Forschungen zu einem verlassenen Vogelnest (Kindergarten) |
| Wie kann Eis etwas abkühlen, wenn es dabei selbst warm wird? (Grundschule) |
| Gibt der warme Körper Wärme ab oder nimmt er Kälte auf? (Grundschule) |
| Wie entstehen Wolken? (Grundschule) |
| Worin unterscheiden sich feste, flüssige und gasförmige Stoffe? (Klasse 4 und 6 kombiniert)
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| Forscherstunden zur Schnecke (Klasse 3 und 5 kombiniert) |
| Forscherstunden zu Mehlwürmern (Klasse 3 und 5 kombiniert)
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Die Frage nach den Grenzen der Methode bleibt unbeantwortet
Darüber hinaus werden weitere Projekte kurz skizziert, bei denen Kinder als Forscher tätig werden können. Im Buch findet sich allerdings auch ein Unterrichtsverlauf, der eher dem herkömmlichen Unterricht zuzuordnen ist und bei dem Elemente des entdeckenden Lernens nicht explizit im Sinne von Ansari benannt werden und höchstens indirekt erkennbar sind. Hier stellt sich eine grundsätzliche Frage, die im Buch allerdings nicht verfolgt wird: Welche der schulrelevanten naturwissenschaftlichen Sachverhalte können im Sinne des entdeckenden Lernens überhaupt bearbeitet werden? Gibt es Themen, die sich diesem Zugriff entziehen? Wo sind die Grenzen dieser Methode zu sehen? Diese Fragen werden sich sicherlich nicht abschließend beantworten lassen, da es bei allen naturwissenschaftlichen Sachverhalten auch auf die Kreativität der Lehrenden ankommt, inwieweit sie hierfür einen geeigneten Zugang finden, der entdeckendes Lernen ermöglicht.
Kurzinformationen
Autor | Salman Ansari
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Titel | Schule des Staunens – Lernen und Forschen mit Kindern |
Verlag | Spektrum Akademischer Verlag |
ISBN | 978-3-8274-2061-9 |
Erscheinungsjahr | 2009 |
Preis | 19,95 € |
Fazit
Ansari zeigt in seinem Buch überzeugend, wie wertvoll die Methode des entdeckenden Lernens für das naturwissenschaftliche Lernen der Kinder ist und wie gut sie das ursprüngliche Lernen der Kinder aufgreift und weiterentwickelt. Dabei stehen das Denken der Kinder und ihre eigenen Formen der Auseinandersetzung mit ihrer Erfahrungswelt im Mittelpunkt. Es wäre sehr wünschenswert, wenn Lehrerinnen und Lehrer verstärkt einen Unterricht anböten, der das ursprüngliche Lernen der Kinder ernst nimmt und den Vorschlägen von Ansari folgt. Das Buch kann allen pädagogischen Fachkräften in Kindertageseinrichtungen beziehungsweise in Grund- und Hauptschulen zur Aus- oder Weiterbildung sehr empfohlen werden.
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