"Basis für das Verständnis der Welt"
Der Stuttgarter Medienpädagoge Stefan Aufenanger rät dazu, bei der Vermittlung von Lesekompetenz den Schwerpunkt auf das "Sinnverstehen" zu legen.
Früh übt sich!
Mit sechs Monaten haben die Eltern der kleinen Johanna ihr bereits die "Raupe Nimmersatt" vorgelesen. Das taten sie intuitiv, ohne vorher ein pädagogisches Ratgeberbuch konsultiert zu haben. Bilderbücher und Bücher zum Vorlesen gehören für die inzwischen fast Vierjährige zum Alltag. Vor gut einem Jahr hat sie den Computer entdeckt - auf der Seite der Maus zur gleichnamigen Fernsehsendung des WDR hatte es ihr zuerst "Tom und das Erdbeermarmeladebrot mit Honig" angetan. Das ist eine kleine Geschichte, in der Kinder den Fortgang des Geschehens entscheidend mitbestimmen können.
Vielfalt der Medien
Später hat sie die Lieder entdeckt und nachdem sie besonders oft die Lieder von Ritter Rost angeguckt hatte, bekam sie ihr erstes Musicalbuch - mit noch nicht einmal vier Jahren. Ihre Liebe zum normalen Buch ist erhalten geblieben - für das kleine Mädchen ist die gleichzeitige Nutzung verschiedener Medien ganz normal und eine Bereicherung des Alltags. Johanna ist kein Einzelfall: Das Buch ist schon lange nicht mehr das einzige Medium für Kinder und Jugendliche.
Kinder haben die Wahl
Kinder und Jugendliche können heutzutage aus einem Medien-Mix aus Büchern, Fernsehern, Computer, Videos, CDs, DVDs und Hörspielen auswählen. Für den Stuttgarter Medienpädagogen Stefan Aufenanger ist das der normale Gang der Dinge, wie er in einem Interview auf der Internetseite "Lesen in Deutschland" erklärt (siehe rechte Spalte). Dort betont er, dass es ohne Lesefertigkeiten keinen sinnvollen Gebrauch der neuen Medien gibt.
Kein Unterschied zwischen "guten" und "schlechten" Medien
"Wer angemessen im Internet recherchieren will, der muss lesen können. Die – manchmal etwas als typisch deutsch erscheinende – Unterscheidung von guten und schlechten Medien hilft meines Erachtens wenig, Kinder und Jugendliche zum Lesen zu führen. Hier dürften anspruchsvolle, aber zugleich kind- beziehungsweise jugendorientierte Inhalte sinnvoll sein", sagt der Medienpädagoge. Es gibt zum Beispiel Rapsongs, die anspruchsvolle und kreative Textarbeit leisten: das haben beispielsweise Christian Illner und André Nier (DJ Kidney) in Berlin gemacht, die Lernstoff aus dem Unterricht in einen Rapsong gepackt haben. Sie sind im Nebenberuf Musiker und DJ.
Das "Sinnverstehen" fördern
Professor Aufenanger hat beobachtet, dass jede Form der Abwertung kinder- und jugendaffiner Medien – wie etwa Handy, Computer oder Internet – zur Verweigerung des Lesens beziehungsweise des Buches führt. "Mir scheint auch wichtig zu betonen, dass es beim Lesen genauso wie bei der Nutzung neuer Medien weniger um eine eng umschriebene Lesekompetenz geht als vielmehr um das Verstehen von Texten, Bildern, Symbolen oder Filmen. In dieser Hinsicht muss ein Schwerpunkt der Leseförderung sein, das Sinnverstehen zu fördern, welches die Grundlage für das Verstehen von Welt ist. Ob dieses sich in Form von Büchern, Bildern oder Filmen präsentiert, ist dann nicht so zentral."
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