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"Kinder nicht zwingen, Dinge zu essen, die sie nicht mögen"

Die Ernährungswissenschaftlerin Sonja Fahmy erläutert im Interview mit dem BIBER-Blickpunkt, wie man Kinder für das Thema Ernährung begeistern kann.

Sonja Fahmy, Diplom-Ökothrophologin, ist Mitarbeiterin des Projektes "FIT KID", der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V. "FIT KID" ist ein Projekt im Rahmen der Kampagne "IN FORM", gefördert durch das Bundesgesundheitsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz.

BIBER: Frau Fahmy, gibt es eigentlich Zahlen dazu, wie das Essen in den deutschen Kitas zubereitet wird? Wird eher selbst gekocht oder gibt es Catering?

Sonja Fahmy: Die Zahlen sind fast zehn Jahre alt. Damals war das grobe Verhältnis so, dass etwa 50 Prozent der Kitas auf eine Warmverpflegung durch einen externen Anbieter  gesetzt haben. Etwas mehr als 20 Prozent der Kitas kochten selbst in einer eigenen Küche. Lange sah es so aus, als zeichnete sich eine Tendenz ab, dass die Selbstverpflegung zurück gehen würde.

BIBER: Und jetzt glauben Sie, geht der Trend wieder in die andere Richtung?

Sonja Fahmy: Wie gesagt, es gibt keine aktuellen Zahlen. Mein Eindruck ist, dass der Trend beziehungsweise der Wunsch der Eltern wieder verstärkt dahin geht, dass in den Einrichtungen selbst gekocht wird. Dieser Eindruck ist jedoch subjektiv und wird dadurch gestärkt, dass bei uns viele Anfragen von Kindergärten kommen, die selbst kochen. Hier gibt es häufig mehr Unsicherheiten und die Einrichtungen wünschen vermehrt Unterstützung.

BIBER: Was spricht für das Selbstkochen, was spricht für eine Anlieferung? Und gibt es von Ihrem Hause eine Empfehlung?

Sonja Fahmy: Kein Verpflegungssystem kann pauschal als gut oder schlecht bewertet werden. Wichtig ist eine optimale Speiseplangestaltung und diese ist zunächst unabhängig von dem Verpflegungssystem. Für welches Verpflegungssystem sich eine Einrichtung letztendlich entscheidet, hängt von verschiedenen Faktoren wie zum Beispiel den räumlichen Strukturen ab. Eine Kita, die ihre Speisen in der eigenen Küche selbst zubereitet, hat die Möglichkeit, schneller und individueller auf die Wünsche der Kinder zu reagieren. Häufig besteht auch ein enger Kontakt des hauswirtschaftlichen Personals zu den Kindern, welcher die Ernährungsbildung fördert. Für eine Essensanlieferung von einem externen Essensanbieter spricht zum Beispiel, dass der logistische Aufwand (Einkauf, Lagerung) geringer ist, weniger Platz für Lagerung und Zubereitung der Speisen benötigt werden. Wichtig bei der Versorgung durch einen externen Anbieter sind der enge Kontakt und eine gute Kommunikation: Regelmäßige Rückmeldungen sind mit einer der Grundvoraussetzungen für die Gestaltung eines optimalen Speisenangebotes.

BIBER: Bietet Ihr Projekt FIT KID Anregungen für Erzieherinnen und Erzieher, wie das Thema "gute und schlechte Ernährung" kindgerecht vermittelt werden kann?

Sonja Fahmy: Neben unserem Internetangebot bieten wir in Kooperation mit dem Bundesverband der Verbraucherzentralen Schulungen für Erzieherinnen und Erzieher sowie hauswirtschaftliche Kräfte an. Die sind kostenlos. Dort geht es im Wesentlichen darum, wie man das Thema "Ernährung" in den Kita-Alltag einfließen lässt. Einem vierjährigen Kind zu sagen, iss Obst, das ist gesund, bringt nicht viel. Wichtig ist, es vorzuleben und ein regelmäßiges Angebot zu schaffen. In den Schulungen werden unterschiedliche Inhalte vermittelt. Neben der Speiseplangestaltung steht die Ernährungsbildung im Fokus. Dort wird den Teilnehmern praxisnah gezeigt, wie sie das Thema in den pädagogischen Alltag integrieren können.

BIBER: Gibt es Tipps für "die richtige" Ernährungserziehung? Wie geht man mit den individuellen Vorlieben der Kinder um?

Sonja Fahmy: Die individuellen Vorlieben sollten berücksichtigt werden. Es kommt bei Kindern eben vor, dass sie mal drei Wochen lang nur Salamibrot essen wollen. Neue, unbekannte Speisen können manchmal auch verunsichern, sie werden als fremd empfunden. Aber auch wenn das Kind sich hingebungsvoll dem Salamibrot widmet, irgendwann wird es wieder neugierig auf etwas anderes. Deshalb ist es wichtig, Kindern immer wieder neue Lebensmittel anzubieten und zum Probieren aufzufordern. Oftmals müssen Speisen erst mehrmals probiert werden, bis sie gemocht werden. Das erfordert von uns Erwachsenen Geduld und Ausdauer. Im Vordergrund der Ernährungsbildung steht nicht das Verbot von bestimmten Lebensmitteln (es gibt keine "guten oder "schlechten" Lebensmittel), sondern die Vermittlung der Fähigkeit, aus dem reichhaltigen Angebot das Richtige auszuwählen. Im Rahmen der Ernährungsbildung sollte man sich seiner Vorbildfunktion bewusst sein, keine Speisen verbieten und vor allem Kinder nicht zwingen, Dinge zu essen, die sie nicht mögen.

BIBER: Oder den Teller leer zu essen?

Sonja Fahmy: Auch das hat mit Ernährungserziehung nichts zu tun. Ebenso wenig wie das "Nachtisch-Prinzip". Also wenn man dem Kind sagt, "iss deinen Teller leer, dann bekommst du deinen Nachtisch". Essen ist keine Belohnung. Kinder haben ein natürliches Sättigungsgefühl. Damit auf dem Teller nicht immer etwas übrig bleibt, müssen Kinder lernen, die richtige Portionsgröße abzuschätzen.

BIBER: Wie wichtig sind gemeinsame Mahlzeiten und welche Rolle spielen "Essensregeln"?

Sonja Fahmy: Gemeinsame Mahlzeiten sind wichtig – in der Kita sowie zu Hause. Gemeinsames Essen dient nicht nur dem "satt werden" sondern fördert auch das soziale Verhalten. Daher sind, wie in jeder Gemeinschaft, auch in der Tischgemeinschaft Regeln sinnvoll.  Man beginnt eine Mahlzeit gemeinsam, man beendet sie gemeinsam, kein Toben und Schreien während der Mahlzeit. Ebenso sollten Kinder nicht durch Spielsachen während des Essens abgelenkt werden. Auch eine gewisse "Tischkultur" sollte gefördert werden. Der Tisch sollte entsprechend des Speisenangebotes gedeckt sein. Natürlich muss das Alter berücksichtigt werden. Aber Kinder sollen von Anfang an lernen, mit Messer und Gabel zu essen und einen Porzellanteller zu benutzen. Ebenso sollte der Tisch ansprechend gedeckt und gegebenenfalls jahreszeitlich dekoriert sein. An einem schön gedeckten Tisch schmeckt es besser. Hier ist es sinnvoll die Kinder mit einzubeziehen. Regelmäßiger Tischdienst, basteln von Dekorationsmaterialien und so etwas in dieser Art. Kitas haben hier eine wichtige Rolle, denn in vielen Familien verzichtet man inzwischen auf gemeinsame Mahlzeiten.

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