"Eltern haben keine Sensoren für die Medienlandschaft"
Wie können Eltern und Erzieherinnen und Erzieher die Kinder in der modernen Medienwelt begleiten und sie dabei unterstützen, die Medienvielfalt zu nutzen? Ein Interview mit Detlef Ruffert, Geschäftsführer des Instituts für Medienpädagogik und Kommunikation in Frankfurt am Main.
BIBER: Nutzen Eltern Mediatheken im Netz, um Kindern gute Medienangebote machen zu können? Gibt es Eltern, die sich bestimmte Sendungen aus dem Netz runterladen, um sie zu einem Zeitpunkt mit ihren Kindern anzuschauen, der gut passt?
Detlef Ruffert: Die gibt es wohl, doch ich schätze, es ist eine Minderheit unter der Elternschaft, die dieses Angebot nutzt.
BIBER: Warum? Weil Fernsehen und Computer bei Eltern ein negatives Image haben?
Detlef Ruffert: Ja, bei sehr vielen Eltern herrscht dieses negatives Bild vor. Aber die Eltern sind ja alles andere als eine homogene Gruppe. Es gibt Eltern, denen ist der Fernsehkonsum ihrer Kinder völlig wurscht, die geben keine Regeln vor. Und dann gibt es die Überängstlichen, die am liebsten den Fernseher und den Computer von ihren Kindern fernhalten wollen – und sämtliche Schattierungen dazwischen.
Medienkompetenz für Eltern
BIBER: Sind Eltern Ihrer Erfahrung nach dazu in der Lage, Kinder auf die Medienvielfalt vorzubereiten?
Detlef Ruffert: Ich behaupte "nein". Das ist eine Erfahrung. Eltern haben keine Basis, keine Sensoren dafür, wie schnell sich die Medienlandschaft wandelt und sie wissen oft nicht, wie sie reagieren sollen. Größere Kinder sind beispielsweise heute wesentlich vertrauter mit dem Handy als Kommunikationsmittel – sie nutzen es als Fotoapparat, drehen Videos und sind ihren Eltern in der technischen Handhabung voraus.
BIBER: Glauben Sie, dass Eltern darüber informiert sind, was ihre Kinder schauen? Kennen sie die Inhalte der Sendungen und sind sie bereit dazu, Kinder bei der Verarbeitung ihrer Erlebnisse zu unterstützen?
Detlef Ruffert: Das kommt auf das Elternhaus an. Ich befürchte, dass sie es oft nicht sind und bin ja deshalb dafür, nicht Medienpädagogik für Kinder, sondern für Eltern anzubieten. Nur Eltern, die medienkompetent sind, erziehen Kinder, die die mediale Vielfalt nutzen können. Die Kompetenz beinhaltet das technische Vermögen, (neue) Medien zu bedienen und zu nutzen, als auch die Bewertung und Einordnung und Auswahl des teilweise unüberschaubaren Angebotes. Man muss ja einschätzen können, was eine gute, altersgemäße Sendung ist – egal, ob man sie im Fernsehen anschaut oder unterwegs auf dem Laptop.
Qualifikation der Erzieherinnen und Erzieher
BIBER: Und wie kann man Eltern das Thema nahebringen?
Detlef Ruffert: Gute Frage. In Deutschland fehlt es an gut durchdachten, kontinuierlichen Angeboten für Eltern. Es wäre ein Kraftakt, aber es würde sich lohnen. Und wir wollen ja keine elterliche Zwangsbildung. Wir in Hessen arbeiten an einem Konzept. So viel kann ich sagen: Eltern mit Kindern im Vorschulbereich sind sehr bildungswillig. Die könnte man gut erreichen.
BIBER: Wie denn?
Detlef Ruffert: Über die Qualifikation der Erzieherinnen und Erzieher. Die können Elternbildung in pädagogische Angebote miteinbeziehen.
Weder vergöttern noch verteufeln
BIBER: Stichwort Erzieherinnen und Erzieher. Sind die denn überhaupt in der Lage, Kinder bei der Verarbeitung von Medieneindrücken zu begleiten?
Detlef Ruffert: Die sind doch in der gleichen Zwangslage wie die Eltern. Oft sind sie selbst Eltern und mit dem schlechten Image von Medien konfrontiert. Und wenn sie etwas mit Medien im Kindergarten anbieten, kommen gleich die Eltern und sagen: "Oh nein, Fernsehen gucken die Kinder schon zu Hause, geht doch lieber draußen spielen ..." Ich habe beobachtet, dass es sinnvoll ist, Medien in die pädagogische Ausrichtung des Kindergartens einzubinden.
BIBER: Wie sieht Ihrer Meinung nach frühkindliche Förderung in Sachen Mediennutzung aus?
Detlef Ruffert: Eltern und Erzieherinnen und Erzieher müssen dazu bereit sein, mit den Kindern über das Erlebte zu reden. Das gilt ja grundsätzlich, ob für Bücher, Filme oder Computerspiele. Medienerziehung unterscheidet sich nicht von grundsätzlichen Erziehungsmethoden. Wie auch beim Zähneputzen oder Essen geht es doch darum, dass Eltern im Alltag vorleben, wie man diese Dinge erledigt oder handhabt. Auch bei der Mediennutzung geht es um aktive Teilhabe.
BIBER: Der Fernseher oder der Computer also als normaler Alltagsgegenstand, den man weder vergöttern oder verteufeln sollte?
Detlef Ruffert: Genau. Für Kinder im Alter von drei bis 13 Jahren ist die Familie immer noch wichtigste Institution in der und durch die sie Kompetenzen, Werte, Normen, Einstellungen und Wissen für ihr Alltagsleben erhalten. Die Kommunikationsfähigkeit ist wichtigste Grundlage für allgemeine Erziehungskompetenz.
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